Im Blutkreis - Roman
loszuwerden, der an seiner Haut klebte.
Vor allem musste er einen Rückflug für den nächsten Tag reservieren. Der Hoteldirektor, ein wahrer Zauberer, buchte einen Platz für ihn an Bord eines Flugzeugs der lokalen Fluggesellschaft, die einmal in der Woche von Goma nach Nairobi flog. Er musste am nächsten Morgen Punkt sieben am Flughafen sein.
Doktor Willemse hatte eine eindrucksvolle Anzahl von Dokumenten über die Situation der Flüchtlinge zusammengetragen. Diese Berichte waren nicht von den Beamten der WHO verfasst worden, sondern vom Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen. Es gab drei Aktenmappen mit folgenden Aufschriften: 1. Exodus; 2. Gesundheitssituation; 3. Verbrechen und Straftaten.
Der Exodus … Durch seine Nachforschungen wusste er darüber bereits genug. Es wandte sich sofort der zweiten Aktenmappe – Gesundheitssituation – zu, die Untersuchungen über die ordnungsgemäße Verwaltung der Camps, die Demographie, die Lebensbedingungen, die Cholera- und Ruhrepidemien, die knapp fünfzigtausend Opfer gefordert hatten, und die Koordination zwischen den verschiedenen Nicht-Regierungsorganisationen enthielten. Die Akte listete die humanitären Organisationen auf, die damals in der Zone arbeiteten. Es waren mehr als zweihundertfünfzig, die sich über das gesamte Kiwu-Gebiet verteilten. One Earth wurde nur in drei Camps in der Nähe von Goma erwähnt, die übrigen Mitarbeiter waren weiter südlich in Richtung Bukawu und auf dem Gebiet von Ruanda im Einsatz gewesen.
Nathan nahm sich die dritte Aktenmappe vor, die sich den Verbrechen und Straftaten widmete; er hoffte, darin einen Hinweis
zu finden, einen Fehler, den die Mörder gemacht hatten und der den Beamten der WHO entgangen war, den er aber zu erkennen in der Lage wäre. Die Berichte bezogen sich auf Fälle von Vergewaltigung, Zuhälterei, Mord und Folter, begangen von den Männern aus Ruanda selbst sowie von lokalen Mitarbeitern der Nicht-Regierungsorganisationen. Er stieß auf die von den Flüchtlingen erstatteten Vermisstenanzeigen, die Rhoda erwähnt hatte. Die Zahl der Opfer wurde auf etwa fünfzehn geschätzt, die anscheinend zufällig aus den Lagern herausgegriffen worden waren, ohne irgendein erkennbares gemeinsames Kriterium wie Alter, Geschlecht oder ethnische Zugehörigkeit. Und auf jeder Karteikarte die gleiche Bemerkung: »nicht aufgeklärter Fall«, ohne weitere Angaben.
Die Mörder hatten die Spuren ihrer Verbrechen perfekt verwischt. Und doch schälte sich nach und nach eine Wahrheit aus den afrikanischen Nebeln. Nathan konnte zwar ihre Identität nicht bestimmen, aber er verfügte über zwei handfeste Spuren.
Auf der einen Seite war erwiesen, dass die kriminellen Akte eindeutig das Ergebnis medizinischer Experimente waren.
Seine Nachforschungen hatten ihm bestätigt, dass die »Dämonen« mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Westen kamen und sich hinter einer Nicht-Regierungsorganisation verbargen, ein idealer Deckmantel, um die Menschen und das schwere Material zu transportieren, die sie benötigten, um ihre ungeheuerlichen Experimente durchzuführen.
Zwei Dunkelzonen blieben allerdings.
Es gelang ihm nicht, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen. Am Ende des 17. Jahrhunderts stand die moderne Medizin noch ganz am Anfang … Was hatten die Mörder aus dem Manuskript also entdeckt, um sich veranlasst zu sehen, derartige Experimente anzustellen?
Und die Schuldigen mussten noch ermittelt werden.
Es war unwahrscheinlich, dass eine ganze Organisation in
die Sache verstrickt war. Nein, Nathan neigte eher zu der Annahme, dass ein paar wenige Einzelpersonen durch dieses Geheimnis verbunden waren. Die große Zahl von Mitarbeitern humanitärer Organisationen in der Region erschwerte seine Nachforschungen erheblich.
Es war schlicht unmöglich, sie in einer so großen Menge zu finden.
Er legte sich aufs Bett. In der Ferne war das Knallen automatischer Waffen zu hören. Die Spannungen nahmen zu, es wurde Zeit, von diesem Pulverfass wegzukommen, das innerhalb weniger Stunden explodieren konnte. Einen Augenblick später war er eingeschlafen.
In dieser Nacht träumte er von Rhoda.
Er ging neben ihr durch die Straßen von Paris. Hände, die sich berührten, komplizenhaftes Lächeln, Blicke, die sich begegneten, alles kehrte zurück, dann riss plötzlich ein heftiger Wind sie mit sich, der Raum zerbröckelte, und sie fanden sich in einem verkohlten Wald wieder. Diesmal hielt Rhoda
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