Im Bus ganz hinten
Platz am Fenster. Reihe 12. A ls die Maschine abhob, krallte ich
mich mit meinen Händen in die Seitenlehne und bestellte sofort einen Schnaps bei der Stewardess. Scheiß auf Tomatensaft – ich brauchte ein
großes Glas Jägermeister. Das kippte ich sofort runter und versuchte zu schlafen, aber es war zwecklos. »Was ist, wenn wir abstürzen?«,
fragte ich Gan-G panisch. »Es passiert schon nichts, Fler. Beruhig dich! Fliegen ist doch sicherer als A utofahren. A lso chill mal.« Er selbst
wirkte tatsächlich völlig tiefenentspannt. Ich versuchte mich verkrampft mit Filmen, Büchern und Musik abzulenken, aber es half nichts. Ich
war nass geschwitzt. Das Gefühl ließ mich an die Panikattacken denken, die ich früher gehabt hatte. Ich blickte mich hektisch im Flieger um
und sah die ganzen Touristen und Schlipsmänner, die vielen deutschen Normalbürger, die plaudernd und gleichgültig um mich herumsaßen.
Da wurde mir so deutlich bewusst wie seit Langem nicht mehr, dass ich einfach nicht dazugehörte. Plötzlich ging ein Ruck durch die Maschine,
wir waren wohl durch ein Luftloch geflogen, und die Stewardess, die gerade auf meiner Höhe über den Gang lief, warf mir einen mitleidigen
Blick zu. Ich spürte die große A ngst in mir aufsteigen, und ich fragte mich, was passieren würde, wenn ich hier im Flieger jetzt einen A nfall
bekam. Ich konnte ja schlecht die Tür zum Cockpit einschlagen und den Piloten zur sofortigen Umkehr zwingen. Schließlich gelang es mir, die
A ngst unter Kontrolle zu halten und Schlimmeres zu verhindern. A ber es war ein hartes Stück A rbeit, auf das ich mich den ganzen
beschissenen Flug über von Minute zu Minute konzentrieren musste.
Erst als ich nach knapp neun Stunden einen Blick aus dem Fenster wagte und tatsächlich die ersten Wolkenkratzer von Manhattan sah, konnte
ich aufatmen. Wow! Das Gefühl, das in diesem Moment in mir hochkam, war unbeschreiblich. Ich kam mir vor wie in einem Film – nur noch
viel besser. Ich spürte den A nblick dieser bombastischen Stadt als Kribbeln bis in die Fußspitzen. Meine A ngst war auf einmal wie
weggeblasen, am liebsten wäre ich gleich rausgesprungen und hätte mir Flügel wachsen lassen, um den Rest der Strecke schneller allein
fliegen zu können. Die Landung war etwas holprig, aber das störte mich nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, dass die A ngst niemals
zurückkommen würde.
Dann kam die letzte Hürde: die Immigration. Ich musste ewig in der Schlange warten, dann gab ich meine Fingerabdrücke ab, posierte für
das Foto, und als ich schließlich gefragt wurde, was ich denn in New York vorhatte, antwortete ich ganz artig: »I’m here for shopping and
holidays.« Dass wir ein Musikvideo drehen wollten, durfte ich auf gar keinen Fall erzählen, weil wir kein A rbeitsvisum beantragt hatten. Wäre
das aufgeflogen, hätten die uns wahrscheinlich sofort festgenommen, so streng, wie die guckten. Der Beamte, der meinen Pass abstempelte,
musterte mich von oben bis unten, aber für die sah ich vermutlich aus wie ein stinknormaler Tourist. Und das war auch gut so. Ich durfte
ohne Probleme einreisen.
Ich hatte es tatsächlich geschafft: Ich war in den USA ! In New Yoooork! Die ganze Zeit hatte ich den Song »Empire State of Mind« von Jay-Z
und A licia Keys im Ohr. Das war der perfekte Soundtrack für diesen Trip! Wir stiegen ins Taxi und ließen uns durch die Stadt fahren. Das
schicke Manhattan war zwar extrem cool, interessierte mich aber weniger. Ich wollte viel dringender sehen, wie es in den Gettos abging – die
ich bisher ja nur aus den ganzen Rapvideos und Filmen kannte. Gan-G buchte in Deutschland regelmäßig Gigs für amerikanische Rapper,
weshalb er einige Leute hier kannte. Das war natürlich praktisch. Die Kollegen führten uns direkt durch ihre Hood in Harlem – wo man sich als
Tourist ja nur bedingt aufhalten soll. A ber dadurch, dass wir heimische Freunde hatten, fühlten wir uns sicher. Ich schloss den Stadtteil sofort
ins Herz. Es gab unendlich viele coole Geschäfte, die Leute waren sehr nett, man konnte immer einkaufen, Essen gab es 24 Stunden am Tag.
Bombe!
Und es war wirklich alles anders als in Deutschland. Hier hatte keiner einen Stock im A rsch. Ich lieh mir einen edlen Bentley und fuhr damit
durch die Gegend. »Krasse Karre«, staunte der Kellner des Diners, in dem wir immer frühstückten. Er warf mir bewundernde, aber freundliche
Blicke zu. So was kannte ich gar nicht. Bei uns in Deutschland
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