Im Bus ganz hinten
rztpraxen der Stadt abzuklappern. Ich kam mir schon vor wie beim Speed-Dating. Jeden Tag lief ich zu fünf anderen
Typen im weißen Kittel, die mich dann durchcheckten. Kopfröntgen. EKG. Ich ließ mir sogar Nervenwasser aus der Wirbelsäule zapfen. Dabei
jagen die einem eine Nadel knapp über dem A rsch ins Fleisch, und wenn sie danebenstechen, ist man querschnittsgelähmt. Doch dieses Risiko
nahm ich auf mich. Ich wollte unbedingt wissen, was mit mir los war. Erst hatte ich keine A ngst, aber während der Behandlung traf es mich
dann wie ein Blitzschlag: Ein stechender Schmerz fuhr durch mein linkes Bein. »A ua! Verdammt! Das tut voll weh«, schrie ich den A rzt an. Ich
dachte, das war’s jetzt: Ich würde für immer gelähmt sein oder sterben. Der A rzt zuckte erst ebenfalls zusammen. Dann lächelte er mich an.
»A lles in Ordnung. Sie sind ein Hypochonder!« Wie bitte? War das wirklich die einzige Diagnose, die mir dieser Quacksalber nach
wochenlangen Untersuchungen ausstellen konnte? Obwohl ich es am A nfang nicht glauben wollte, ergaben alle Tests, die ich machen ließ,
dasselbe: Mein junger Körper war kerngesund.
Das Problem war also doch nicht irgendeine mysteriöse Krankheit, sondern ich selbst. Und da ich Patrick Losensky zurzeit nicht mehr ertragen
konnte, beschloss ich, dass A blenkung von mir und meinen Hirngespinsten vermutlich das Beste war. Ich entschied, ein neues A lbum
aufzunehmen. Ich wollte einfach wieder Rap machen. Ohne den ganzen Imagekram. Ohne Kopffickerei. Ich hatte keinen Bock mehr, es allen
recht zu machen. Ich wollte, dass es endlich wieder um die Mucke ging. Sonst nix. In dieser Zeit begegneten mir im Studio und bei anderen
Terminen immer wieder Künstler, die mir verrieten, dass sie unter ganz ähnlichen Problemen litten wie ich und ebenfalls schon mit
Panikattacken in der Notaufnahme gelandet waren. Diese Gespräche taten mir gut. Ich hatte endlich das Gefühl, dass ich mit meinem Scheiß
nicht ganz allein war. Offensichtlich war ich sogar in bester Gesellschaft. Wir Künstler ficken uns einfach alle selbst im Kopf, dachte ich mir.
Vielleicht gehört das zur Kreativität einfach dazu?
Südberlin Maskulin (Musik als Therapie)
Zu dieser Zeit traf ich einen coolen Typen aus meiner ehemaligen Heimat Lichterfelde wieder: den Produzenten Djorkaeff. Ich fand es gut,
dass wir denselben Getto-Background hatten. Wir waren einfach auf der gleichen Wellenlänge – verstanden uns blind. Er war ein witziger Typ
und extrem gastfreundlich. Ich konnte Tag und Nacht bei ihm im Studio abhängen und war immer willkommen. Doch das Beste an ihm war:
Er machte Hammermusik! Zusammen arbeiteten wir an meinem A lbum Südberlin Maskulin. Es sollte mein letzter Versuch bei A ggro Berlin
werden. Ich schwor mir: Wenn sie mir bei diesem Projekt nicht den Support gaben, den ich mir wünschte, dann war’s das! Ich steckte wie
immer mein ganzes Herzblut in die Platte, und das Gleiche erwartete ich gefälligst auch von meinem Label.
Über Djorkaeff lernte ich Godsilla kennen, der gleich bei mir um die Ecke wohnte. Er war in der Berliner Untergrundszene schon ziemlich
bekannt, da seine krasse Stimme einfach unverkennbar war. Und man hörte an seinen Tracks, dass ihn meine Musik beeinflusst hatte –
insbesondere das Tape Carlo Cokxxx Nutten, das ich damals mit Bushido produziert hatte. Somit stand fest: Der Kerl hatte einen guten
Musikgeschmack. Für mich war Godsilla ein Talent, das gefördert werden musste – ich wollte ihn supporten und ließ ihn auf meiner Platte
rappen. Sowieso hatte ich keinen Bock, mich nur auf mich selbst zu konzentrieren. Ich dachte: Hilfst du den anderen, dann hilfst du dir selbst!
Silla hatte es auch nicht leicht. Er hatte ähnliche Probleme wie ich – und schon ziemlich viel Scheiße durchgemacht. Er war nicht so wirklich
zufrieden mit seinem Leben. Genauso ein Freak wie ich. Deshalb fand ich, dass wir ganz gut zusammenpassten.
Ich merkte allerdings bald, dass es einen entscheidenden Unterschied gab zwischen Silla und mir. Je öfter ich mich mit ihm traf, desto mehr
wurde mir klar, dass er seine Probleme im A lkohol ertränkte. Wenn’s ihm schlechtging, soff er eine ganze Flasche Whiskey auf ex, und das
war nicht ungefährlich. Irgendwie schien er ganz anders mit seinen Sorgen umzugehen als ich. Ich hatte ja selbst immer wieder meine
Panikattacken, aber trotzdem trank ich nur wenig. Ich therapierte mich lieber mit der Musik. Die Reime und Beats
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