Im Bus ganz hinten
und starrte an die Decke. Es war komplett still im Raum, und ich schloss die
A ugen.
Psycho-Comeback
Es sollte nicht lange dauern, und ich war wieder kurz davor durchzudrehen. Ich hatte inzwischen wohl schon 50-mal das Telefon in die Hand
genommen, um mich selbst wieder in die Psychoklinik einzuweisen. A ber irgendetwas hielt mich jedes Mal im letzten Moment davon ab –
wahrscheinlich meine Erinnerung an den letzten A ufenthalt. Ich entschloss mich, meine Mutter anzurufen, vielleicht wusste die ja Rat. Da wir
aber kaum noch etwas miteinander zu tun hatten, reagierte sie natürlich eher kühl: »A ch, geh doch zum A rzt, und hol dir wieder Tabletten.
So schlimm wird’s schon nicht sein.« Ich war enttäuscht, dass sie mich nicht zu trösten versuchte, schüttelte aber gleichzeitig den Kopf über
mich selbst. Du lernst es auch nie, Patrick, dachte ich und legte auf.
Tatsächlich hatte ich keinen Bock, mich wieder mit Medikamenten vollpumpen zu lassen. Wie gesagt: Meine Erinnerungen waren nicht die
besten. A ber hatte ich überhaupt eine andere Wahl?
Ich ließ mich auf mein Sofa fallen, machte den Fernseher an, um mich abzulenken, und dann überrollte mich die Panik. Sie schnürte mir die
Kehle zu, ich bekam keine Luft mehr, ich dachte, ich würde ohnmächtig, und krallte mich an der Seitenlehne meines Sofas fest. Das Zimmer
drehte sich im Kreis. In meinen Ohren piepte ein gleichmäßiger schriller Ton. Ich konnte fühlen, wie mein Gehirn pulsierte. Ich hatte A ngst.
Todesangst. Und das Schlimmste daran: Diesmal fürchtete ich mich nicht vor dem Teufel oder sonst einem lächerlichen Gedankenkonstrukt.
Diesmal hatte ich ganz konkrete A ngst: A ngst, auf der Straße zu sterben. Jedes Mal, wenn ich rausging, musste ich jetzt damit rechnen,
abgestochen zu werden. Der Schock des MTV-A ttentats saß mir tief in den Knochen.
Übel war auch, dass der Überfall in den Medien als billige Promo-A ktion meinerseits interpretiert wurde. Ich hatte gar keine Lust, einen Blick
ins Internet oder in die Zeitung zu werfen, ich fühlte mich von der ganzen Welt verarscht. Niemand da draußen hatte auch nur einen blassen
Schimmer, was in mir vorging. Ich saß zu Hause und heulte wie eine Tussi. Ich war nicht mehr ich selbst.
Das Problem war allerdings, dass ich gar nicht die Zeit hatte, um hauptberuflich auf dem Sofa zu sitzen und Panik zu schieben. Ich hatte ja
nach wie vor ein A lbum zu promoten. Termine, Termine, Termine. A ber wie zum Teufel sollte ich Interviews und Konzerte geben, wenn ich
mich nicht einmal traute, die Wohnung zu verlassen? Ich schloss mich ein, sagte so viele Termine ab wie nur möglich, lag die ganze Zeit im
Bett. Wirklich geschlafen hatte ich aber seit drei Wochen nicht. Manchmal nickte ich vielleicht für fünf Minuten ein, doch dann erwischte mich
die nächste Psychoattacke, und ich schreckte wieder hoch. Das Ganze zehrte an meinen Kräften. Ich war körperlich am Ende. Immer wieder
bekam ich hektische A nrufe von A ggro: Fler, A lter. Mach dies, mach das. Sie stressten mich. Wie hätte ich in diesem Zustand souverän
irgendwelche Fragen beantworten sollen? Bei meinem letzten Radiointerview hatte ich es gerade noch hinbekommen, mich aus dem A uto ins
Gebäude zu schleppen. Moussa hatte mich stützen müssen. Ohne ihn wäre ich einfach umgekippt wie ein nasser Sack.
Ich hatte es so dermaßen satt, noch weiter zu kämpfen. Mein ganzes Leben lang war ich mit dem Kopf durch die Wand gegangen, ich hatte
immer weitergemacht und am Ende wieder und wieder meinen Willen durchgesetzt. A ber diesmal schien die Wand selbst für meinen Schädel
zu dick. Ich musste mich zurückziehen, eine neue Kriegstaktik für mein Leben erstellen.
Schließlich ging ich zu meiner alten Therapeutin, Frau Dr. Barbara Uhlmann-Lubich. Sie merkte allerdings schnell, dass sie diesmal nicht viel
machen konnte. Bei jeder Therapiestunde, zu der ich kam, verschlimmerte sich mein Zustand. A nstatt ihre Fragen zu beantworten, fragte
diesmal ich ihr ein Loch in den Bauch: »Wie soll ich nur mit der A ngst klarkommen?« Und da meine A ngst diesmal berechtigt war, wusste
auch sie keine Lösung. Ich verlor jeglichen Mut. A m Ende eines Gesprächs verschrieb mir die Therapeutin ein Schlafmittel, damit ich
wenigstens pennen konnte. »Nimm erst mal nur eine halbe Tablette«, riet sie mir, »das Zeug ist ziemlich stark.« A lles klar. Ich sollte mich
also wieder betäuben. So war es ja mein ganzes Leben lang gewesen: Wenn
Weitere Kostenlose Bücher