Im Bus ganz hinten
waren wie eine A rt Pflaster
für meine Seele. Hip-Hop war das Einzige, was mir dabei half, mit meinem Scheiß klarzukommen. Und ich wollte unbedingt, dass das bei Silla
auch so funktionieren würde. Ich war mir sicher: Entweder ich würde ihn retten, oder er würde nicht mehr lange leben. Deshalb setzte ich mir
in den Kopf, ihn vom A lkohol loszubekommen. Wer, wenn nicht ich, konnte ihm helfen? Schließlich hatten wir so viel gemeinsam: Wir waren
beide Penner, die nichts hatten außer ihrer Musik. Das musste doch gehen. Es schien glasklar: Ich war dazu auserwählt, seinen A rsch zu
retten. A ber leider hatte ich die Rechnung ohne Silla gemacht: Er hörte nämlich null auf mich.
So wie A ggro. Denen war ich mittlerweile scheißegal. A ls Südberlin Maskulin endlich rauskam, merkte ich ganz deutlich: Die Typen glaubten
einfach nicht mehr an mich. Ich hatte mein ganzes Herz in die neuen Songs gesteckt, und für Specter und Co. war die Platte ein
minderwertiges Produkt. Sie machten keinerlei Promo dafür. Obwohl sich vonseiten des Labels niemand um das A lbum scherte, entwickelte es
sich überraschenderweise zum Grower in der Szene und fand zunehmend mehr Käufer.
Trotzdem: Der mittelmäßige Erfolg war ernüchternd für mich. Und für Silla galt genau das Gegenteil: Er soff immer mehr. Und das, obwohl
ihm die Platte eigentlich sehr weitergeholfen hatte. Die Leute kannten jetzt seinen Namen, und das war ja wohl das Wichtigste im Rap. Bei ihm
schien das mit der Therapie durch die Musik nicht zu funktionieren. Er steckte in einer tiefen Identitätskrise, wusste einfach nicht, wer er war
und wer er sein sollte, und das war, wie ich ja wusste, das schlimmste Gefühl überhaupt. Silla trank nur noch. Meine A ngst um ihn wurde
jeden Tag größer. Zu Recht, wie sich bald herausstellen sollte – denn es passierte genau das, wovor ich mich immer so gefürchtet hatte: Er
soff eines A bends so übertrieben viel, dass er allein in seiner Wohnung ins Koma fiel. Zum Glück bemerkten die Nachbarn, dass etwas faul
war, weil er sich im Vorfeld schon so seltsam benommen hatte. Sie riefen die Polizei und den Notarzt. Mit Blaulicht wurde er ins Benjamin-
Franklin-Krankenhaus gefahren und brach dort den Promille-Rekord: 4,9.
Daran kann man sterben. Silla hatte Glück.
Hilfe, ich bin pleite!
Mittlerweile hatte ich mich mit meinem Psycho-Dilemma abgefunden. Ich hatte 24 Stunden am Tag den Getto-Wahnsinn im Kopf, doch ich
hatte es inzwischen aufgegeben, deswegen Hilfe bei Ä rzten zu suchen. Mir war klar geworden, dass ich selbst oder besser gesagt meine
Lebensumstände schuld an allem waren. Mir fehlte ein sicherer Hafen, in den ich gelegentlich hätte zurückkehren können – eine Frau zum
Beispiel, mit der ich wirklich hätte reden können und die nicht bloß hinter mir her war, weil sie mein Gesicht mal auf MTV gesehen hatte. Mir
fehlte eine Familie, und ich wusste: Solange sich daran nichts änderte, würden die Wunden auf meiner Seele nicht heilen können.
A us diesen Gedanken heraus beschloss ich, mich zum ersten Mal seit Langem wieder mit Erich zu treffen. Er war zwar schon ewig nicht mehr
mit meiner Mutter zusammen und hatte auch keinen Kontakt zu ihr, aber trotzdem war er über all die Jahre eine A rt Vater für mich geworden.
Wir trafen uns in einem Café, und Erich checkte ziemlich schnell, was los war: Die Probleme bei A ggro hatten sich in den letzten Wochen
enorm zugespitzt. Mir ging’s ziemlich beschissen, und das war mir auch anzusehen. »Junge, du musst mal lernen, auf die anderen zu scheißen
und auf dich selbst zu achten. Rette deinen eigenen A rsch, bevor du ihn dir für andere aufreißt«, sagte er. Und er hatte recht. Jahrelang hatte
ich die A ggro-Fahne hochgehalten. Und war am Ende noch dafür belächelt worden! Ich spürte, dass sich die Sache mit dem Label bald
erledigt hatte. Vielleicht sollte ich das sinkende Schiff tatsächlich verlassen, bevor es zu spät war. Ich hatte jetzt schon das Gefühl, ich würde
ohne Label in der Luft hängen, obwohl ich bei A ggro noch gar nicht raus war. Und das Schlimmste: Mein Konto war leer. Nach all dem Erfolg,
den Groupies und den dicken Goldketten hatte ich jetzt plötzlich gar nix mehr. A us die Maus. Klar, ich hatte gut verdient, aber ich hatte auch
gut gelebt. Ich war nur in die besten Restaurants gegangen, war quer durchs Land mit dem Taxi gefahren und hatte meine Kohle ganz einfach
verprasst. Die Einnahmen über A ggro waren mein
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