Im Bus ganz hinten
wochenlang über MySpace, und als sie mich dann irgendwann wieder nach einem Treffen
fragte, sagte ich einfach zu. Ich wollte dieses schöne Mädchen nicht länger hinhalten. Seltsamerweise hatte ich trotzdem ein komisches Gefühl
bei der ganzen Sache und bekam daher eine halbe Stunde vor unserem ersten Date kalte Füße und sagte ihr super kurzfristig per SMS ab:
»Sorry, ich kann heute doch nicht.« A ber mit Marleen konnte man nicht spaßen – sie war völlig entsetzt. Meine A bsage wollte sie nicht
akzeptieren. »Du kannst mich jetzt nicht einfach versetzen«, schrieb sie zurück. »Komm jetzt her, sonst bin ich echt sauer.« Da ich schönen
Frauen selten Wünsche abschlagen kann, ließ ich mich überreden und lud sie in meine Wohnung in Prenzlberg ein. So musste ich wenigstens
nicht das Haus verlassen. Das ließ sie sich nicht zweimal sagen – und stand kurze Zeit später auch schon vor meiner Tür. A ls ich ihr
aufmachte, guckte sie genauso verführerisch wie auf ihrem Internetprofilbild. Mir war gleich klar, dass es nicht lange dauern würde, bis wir im
Bett landeten, aber obwohl ich sie mir am liebsten sofort geschnappt hätte, blieben wir an diesem A bend anständig. Wir redeten einfach nur
und verstanden uns super. Dafür, dass ich das Ganze erst hatte abblasen wollte, war ich nun positiv überrascht. Bevor ich sie verabschiedete,
machten wir gleich das nächste Date aus.
»Sie tut mir gut. Vielleicht ist sie die Richtige. Das Mädchen, das mir Halt geben kann«, sagte ich einige Treffen später zu Moussa am Telefon.
Denn psychisch ging’s mir weiterhin nicht richtig gut. Meine Panikattacken war ich immer noch nicht losgeworden. Ständig hatte ich
Horrorvisionen: Ich sah vor meinem inneren A uge, wie die A raber vor meiner Tür standen und mich brutal abschlachteten. A lles noch
Spätfolgen von dem MTV-A ttentat.
Marleen lenkte mich von all dem Wahnsinn ab. Und da ich mich in meiner Bude ohnehin nicht mehr sicher fühlte, ergriff ich die Chance und
zog wenig später zu ihr. Viel zu früh natürlich – aber in dem Moment fühlte es sich einfach richtig an. Sie wohnte etwas außerhalb von Berlin.
Mit ihren Eltern lebte sie auf einem Bauernhof, inmitten von Kühen und vielen Hunden. Diese völlig andere Welt hatte auf mich eine
unglaublich beruhigende Wirkung.
Marleen war in dem kleinen Ort die schöne Dorfprinzessin. Ihre Eltern waren total nett und richteten mir gleich ein eigenes Zimmer in der
ersten Etage ihres Hauses ein. Von meinem eigentlichen Leben hatten sie keinen blassen Schimmer. In ihrer heilen Welt kannten sie solche
Leute wie mich nicht. Und so süß Marleen auch war, ich merkte mit der Zeit immer mehr, dass auch sie mich nicht wirklich verstehen konnte.
Dazu war sie vermutlich noch viel zu jung und naiv. A ußerdem war sie gefangen in ihrer idyllischen Seifenblase, in der Gangster wie ich
anscheinend keinen Platz hatten. A ls ich auf dem Bauernhof zum ersten Mal eine meiner Panikattacken bekam, war sie zutiefst geschockt.
Dabei war das nicht einmal eine der schlimmsten.
Hier auf dem Land fühlte ich mich viel sicherer als in Berlin. Es war der Rückzugsort, den ich im Moment unbedingt brauchte, und das tat mir
auch gut. Einige Stunden am Tag vergaß ich den ganzen Scheiß, der in Berlin auf mich wartete. Trotzdem merkte ich, dass ich vor meinen
Problemen nicht so einfach davonlaufen konnte. Die A ngst zu sterben holte mich immer wieder ein – egal, wo ich mich aufhielt.
Marleen konnte das alles überhaupt nicht nachvollziehen. Nachdem meine erste Euphorie verflogen war, merkte ich immer mehr, dass das mit
uns keinen Sinn hatte.
»Irgendwie klappt das nicht mit uns«, erklärte ich ihr schließlich. A ber wie es von A nfang an Marleens A rt war, ließ sie sich auch diesmal nicht
so einfach abwimmeln. »Nein, du kannst mich jetzt nicht allein lassen. Du musst hierbleiben. Ich will mit dir zusammen sein«, flehte sie mich
an. Marleen klammerte sich ganz fest an mich und gab mir einen Kuss. Egal, was ich tat, sie wollte mich einfach nicht loslassen. Selbst als ich
sie anbrüllte, hielt sie weiter an mir fest. Und da ich im Moment keine Nerven und keine Kraft zum Kämpfen hatte, gab ich mich geschlagen
und blieb.
Eines Tages erzählte ich Marleen, dass es mir finanziell nicht so gut ging. Da zuckte sie plötzlich zusammen. Sie sagte nichts, aber ich merkte,
dass sich dadurch etwas in ihr veränderte. Mit einem Mal wurde mir klar, dass sie in mir anscheinend
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