Im Bus ganz hinten
die Leute nicht mehr wussten, wie sie mit mir umzugehen hatten,
dann verabreichten sie mir Tabletten. »Danke, Frau Doktor. Sie haben mir sehr geholfen«, log ich mit monotoner Stimme. Ehrlich gesagt,
hatte ich gar kein großes Interesse daran, dass sie mir das abkaufte. Ich wollte nur höflich sein.
Nach der Therapiesitzung musste ich weiter zu einer A utogrammstunde, also machte ich mich auf den Weg. Doch in dem Moment, als ich
meinen Fuß auf den Bordstein setzte, ging die Panik sofort wieder los. A uf der Straße waren die A ttacken immer am schlimmsten. Ich wartete
nur darauf, einen Herzinfarkt zu bekommen. Oder einen Hirnschlag – was vermutlich ein angenehm schneller Tod gewesen wäre. Mit letzter
Kraft schleppte ich mich in das Hotel, in dem die A utogrammstunde stattfinden sollte, und versuchte, das Ganze so schnell wie möglich hinter
mich zu bringen. Ich lächelte professionell freundlich, während ich mit schwarzem Edding immer und immer wieder meinen Namen auf die
A utogrammkarten kritzelte. Mit jeder Unterschrift schien sich das Porträt, mit dem sie bedruckt waren, ein Stückchen mehr in eine hässliche
Teufelsfratze zu verwandeln. Ich konnte mich selbst kaum noch ertragen.
A ls ich mit dem Termin fertig war, zog ich mich in meine Suite im obersten Stockwerk des Hotels zurück. Ich checkte mein Erscheinungsbild
im Spiegel – und erschrak. Dieses blasse Gespenst sollte tatsächlich ich sein? Ich beschloss, dass der Moment gekommen war, um mich mit
den Schlaftabletten von Frau Dr. Uhlmann-Lubich wegzubomben. Zur Sicherheit nahm ich gleich zwei davon, doch sie zeigten keine Wirkung:
Eine Dreiviertelstunde später lag ich immer noch hellwach auf meinem Bett und starrte an die Decke. Ich fühlte mich wie in einem Film,
glaubte plötzlich nicht mehr, was ich sah. A lles wurde irreal. Ich hörte Stimmen. Irgendein fremdes Gelaber. Wahrscheinlich hatte ich
Halluzinationen vom Schlafentzug. Ich begann, gleichmäßig vor mich hinzubrabbeln, damit ich die Stimmen der anderen loswurde. Warum
zur Hölle wirkten diese beschissenen Schlaftabletten denn nicht endlich? Ungeduldig griff ich zum Telefon und rief die Uhlmann-Lubich an.
»Ihre Scheißtabletten wirken nicht. Dabei hab ich schon zwei Stück eingeworfen«, maulte ich. Ihre Stimme überschlug sich hysterisch: »Bist
du wahnsinnig? Das ist eine Überdosis! Ich hab dir doch gesagt, du sollst erst mal nur eine halbe einnehmen! Wenn du zu viele davon
schluckst, kann es sein, dass du gar nicht mehr aufwachst!« »Na, das wäre ja was«, dachte ich laut. Jeder Zustand, der nichts mit
Schlaflosigkeit zu tun hatte, erschien mir in dem Moment eine Erleichterung. Die Uhlmann-Lubich fand das gar nicht witzig, aber ich bekam
trotzdem einen Lachkrampf. Ich kicherte ins Telefon wie ein Irrer. Es war mir in diesem Moment egal, ob ich es mir mit meiner guten alten
Therapeutin verscherzte. Die Tussi kann mir doch sowieso nicht helfen, dachte ich. Sie hielt mir eine Standpauke, und als mir das zu viel
wurde, legte ich ohne Verabschiedung auf. Die Therapie hatte sich damit für mich erledigt. Ich musste von nun an allein mit mir klarkommen.
So viel stand fest.
Ärzte-Speed-Dating
Zum Glück fiel mir dann meine letzte Rettung ein: mein Personal Trainer Benjamin. Der Typ hatte es immer wirklich gut mit mir gemeint. Ich
besuchte ihn regelmäßig im Fitnessstudio, und wir trainierten wieder zusammen. Im Gespräch mit ihm vergaß ich meine A ngst – zumindest
für ein paar Minuten. Benjamin war so ein beeindruckend positiver Mensch, und das tat mir gut. Während des Hanteltrainings redeten wir über
Gott und die Welt, bis wir irgendwann mittendrin abbrechen mussten, weil ich plötzlich dachte, mein Herz würde stehen bleiben. Dabei hatte
ich früher viel höhere Gewichte gestemmt. Fuck! Ich war verzweifelt: Jetzt konnte ich nicht einmal mehr pumpen! Nicht nur meine Seele war
im A rsch – mein Körper auch. Wie versteinert hockte ich auf dem Boden im Fitnessstudio. Benjamin versuchte mich zu beruhigen und empfahl
mir, mich untersuchen zu lassen. Er war sich sicher, dass ich unter irgendeiner seltenen Krankheit leiden würde, die mein Seelenleben so
kaputt machte. »Wahrscheinlich muss man die Sache nur richtig diagnostizieren, und dann kannst du geheilt werden. A lles wird gut, Patrick«,
meinte er. Und obwohl ich tief in mir drinnen spürte, dass das Ganze nicht so einfach war, wollte ich seine Worte gern glauben.
Ich begann, sämtliche A
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