Im Bus ganz hinten
angekommen, hatte ich noch immer keine Lösung gefunden. Wie sollte ich es schaffen, mich von A ggro Berlin zu verabschieden?
Im Kopf ging ich die Liste all jener Menschen durch, die mir vielleicht bei der Sache unter die A rme greifen konnten. Doch nach und nach
strich ich die meisten wieder: unbrauchbar. Nicht hilfsbereit. Kein echter Freund. Nicht vertrauenswürdig. A m Ende blieb nur ein Name
stehen: Beko! Und plötzlich wurde mir klar: Er war mein Mann – der Einzige, der mir helfen konnte.
Sie nannten ihn den »Bürgermeister von Tempelhof«. In seinem Viertel war er der King, die Respektsperson schlechthin. Wenn er etwas
sagte, dann hörten alle auf ihn. Dieser Typ war Rocker und hatte Gang-Geschichte in Berlin geschrieben. Ja, er hatte einen Namen auf der
Straße. Er trug eine Glatze, war richtig breit und sein Grinsen extrem sympathisch. Ich kannte ihn schon seit den A nfangszeiten von A ggro. Er
war bei sehr vielen Videodrehs mit am Start gewesen. Jeder kannte und mochte ihn, weil er immer loyal zum Label gewesen war und immer
ein A uge auf die Jüngeren gehabt hatte.
A ber so nett er auch sein konnte, genauso gefährlich war er. Wer Beko ärgerte, hatte definitiv ein Problem, denn wenn er richtig ausrastete,
dann kam er auch schon mal mit einer A xt oder einer Schrotflinte um die Ecke. Und das war nicht witzig! Deshalb wussten die Leute einfach,
dass sie mit ihm lieber keine Faxen machen sollten.
Ich saß mit Beko oft draußen in der Makara-Bar in Tempelhof. Dort quatschten wir stundenlang und rauchten zusammen Shisha. Ich liebte es,
auf der Straße abzuhängen, besonders im Sommer. In Bekos Nähe fühlte ich mich einfach sicher, vor allem weil ich wusste, dass ich ihm alles
anvertrauen konnte – er würde es dann für sich behalten.
Ich rief ihn an und machte sofort ein Treffen mit ihm klar. Dabei erzählte ich ihm, was bei A ggro abging. Er war geschockt, als er erfuhr, wie
die A ggro-Bosse mit ihren Künstlern wirklich umgingen und dass ich ihnen in Wahrheit scheißegal war. »Wieso sind die denn so krass
drauf?«, fragte er mich entsetzt, als ich ihn mit der ganzen Wahrheit konfrontierte. »Geld verändert alles«, war meine einzige Erklärung.
»Wenn du Hilfe brauchst, dann sag mir Bescheid«, sagte Beko – und das war meine Chance. Ich nahm sein A ngebot, ohne zu zögern, an und
fragte: »Würdest du bitte mit mir ins A ggro-Büro kommen? Die Spinner wollen mich nicht aus dem Vertrag lassen!« Beko schlug sofort ein:
»Kein Problem, Dicka!« A uf ihn war eben Verlass! Und ich wusste, dass sie ihm ein offenes Ohr schenken würden. Immerhin kannte er die
A ggro-Leute schon länger und wurde seit Jahren respektiert. Ich war mir sicher, er würde eine Lösung finden.
Zwei Tage später saßen wir im Konferenzraum des Labels. Ich guckte böse. Beko auch. A ls die Chefs reinkamen, guckten sie ziemlich blöd aus
der Wäsche. Den Bürgermeister von Tempelhof hätten sie nicht erwartet! Nicht an – und vor allem nicht auf meiner Seite! Ich hatte sie extra
nicht vorgewarnt, dass ich ihn zu unserem Treffen mitbringen würde. Beko war das A ss in meinem Ä rmel, und damit hatte ich sie
überrumpeln wollen. Das schien ganz gut funktioniert zu haben. Die Stimmung war extrem merkwürdig. Unangenehme Stille. Man hätte eine
Stecknadel fallen hören können. »A ch, kommt schon, lasst mich einfach aus dem Vertrag«, fing ich schließlich das Gespräch an. »Meine
Karriere geht euch doch sowieso längst am A rsch vorbei. Ihr habt mich bei Südberlin Maskulin einfach komplett im Stich gelassen, und damit
habt ihr mich einmal zu oft enttäuscht. Ich will wirklich raus!« Normalerweise hätten sie mich jetzt belächelt, weil sie mir ja bereits bei
unserem letzten Treffen unmissverständlich erklärt hatten, dass sie mich nicht gehen lassen würden, aber mit Beko an meiner Seite waren die
Karten neu gemischt. Mit Diplomatie und dem nötigen Nachdruck schaffte er es tatsächlich, dass wir zu einer Einigung kamen. Hätte ich allein
mit denen an einem Tisch gesessen, wäre ich womöglich doch noch einmal durchgedreht und hätte alles kurz und klein geschlagen. A ber
Beko hatte so etwas nicht nötig. Ihn respektierten die Leute, auch ohne dass seine Fäuste zum Einsatz kamen. A m Ende des Gesprächs gaben
sich die A ggros geschlagen – waren aber ziemlich eingeschnappt: »Dann geh doch! Ohne uns bist du sowieso nichts!«, meckerten sie wie
beleidigte Schuljungen. A ber das hieß: Sie
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