Im Bus ganz hinten
ließen mich gehen! Erleichtert schlug ich meinem Kumpel Beko auf die Schulter. Er hatte mir
wirklich den A rsch gerettet!
Obwohl das Gespräch mit Beko gut war, liefen die Verhandlungen mit den A nwälten von A ggro Berlin sehr schleppend. Jeder wollte natürlich
das Beste für sich rausholen. Das stresste mich total. Ich dachte, das Ganze würde sich ewig hinziehen. A ber wieder war es der Bürgermeister
von Tempelhof, der mich beruhigte: »Ey, mach dir nicht so viele Sorgen. Gib mir einfach den A uflösungsvertrag, und ich regel das, okay?«
Und schon am nächsten Tag stattete Beko den A ggros einen erneuten Besuch ab. Ohne mich. Dann passierte ein Wunder: Nach nur wenigen
Minuten verließ er den Laden mit einer Unterschrift unter meinem A uflösungsvertrag. Ich hatte mich wochenlang mit denen rumgeärgert, aber
für den Bürgermeister war das Ding eine Sache von gerade mal 15 Minuten. Ich war schwer beeindruckt – und Beko sei Dank von nun an ein
freier Mann. Ich hatte den Kampf tatsächlich gewonnen!
Wenige Wochen später schloss das Label seine Pforten für immer. A ggro Berlin war tot.
Wiedersehen mit dem Vater
Nachdem ich mich von A ggro getrennt hatte, stand ich wieder einmal völlig allein da. Ich hatte das Gefühl, dass es an der Zeit war, mein
Leben komplett aufzuräumen und neu zu ordnen. Und plötzlich dachte ich an das, was mir meine Therapeutin Dr. Uhlmann-Lubich einmal
geraten hatte: Es war an der Zeit, meinen leiblichen Vater wiederzutreffen. Schließlich war er seit zwanzig Jahren ein Gespenst in meinem
Kopf. Dieses große X. Eine bedrohliche Unbekannte. Und ich hatte nun das Bedürfnis, diesen schwarzen Schatten gegen ein echtes Gesicht
auszutauschen. Vielleicht hätte ich dann ja nicht mehr so viel A ngst – vor diesem Wiedersehen, vor allen anderen, vor mir selbst. Ich wusste
zwar, dass ich ihn wahrscheinlich nicht mehr als meinen Vater würde ansehen können, weil ich ja ganz ohne ihn aufgewachsen war und er
meine gesamte Entwicklung verpasst hatte. A ber ich wollte ihn trotzdem kennenlernen.
So fuhr ich eines Tages in seine alte Stammkneipe in Steglitz, in die er mich als kleiner Junge öfter mitgenommen hatte. Ich hoffte insgeheim,
dass ich ihn dort nicht finden würde – denn wenn er nach zwanzig Jahren immer noch am selben Tresen saß, dann wäre er ja wirklich nicht
weit gekommen im Leben. Gleichzeitig fiel mir aber nicht ein, wo ich ihn sonst hätte suchen können. A ls ich die Kneipentür öffnete, kam mir
gleich ein Schwall Ekelrauch entgegen. A n der Bar saßen fünf abgewrackte A lkoholiker. Dunkle Gestalten. Ob einer davon mein Vater war? Ich
war mir nicht sicher. Wie paralysiert stapfte ich auf die Theke zu und erkundigte mich nach ihm. »Was willst du von dem?«, fragte mich ein
zahnloses Ungeheuer mit Bierfahne, das offenbar sofort wusste, von wem ich sprach. »Ich bin sein Sohn«, stammelte ich. Irgendwie kamen
die Worte nur schwer aus meinem Mund. Verdattert schauten mich die A lkis an. »Der hängt jetzt immer an der Bar zwei Ecken weiter ab!«,
steckte mir der Zahnlose. Ich bedankte mich für die A uskunft und freute mich ein wenig: Immerhin hatte es mein Vater bis zwei Straßen
weiter gebracht. Ich hinterließ seinen Homies meine Telefonnummer. »Er soll mich anrufen, wenn er Bock hat«, sagte ich und ging.
Schon am nächsten Tag klingelte mein Telefon. »Hallo, hier ist dein Vater.« A ls ich die rauchige Stimme hörte, dachte ich für einen Moment,
mein Herz würde stehen bleiben. Der Klang traf mich wie ein Blitz in meinen innersten Tiefen. Er wollte sich tatsächlich mit mir treffen und
bestellte mich in besagte Kneipe zwei Ecken weiter. »Natürlich komm ich vorbei«, sagte ich und stieg sofort in den Wagen. Ich war so
aufgeregt, dass meine Knie schlotterten, aber ich ließ mir nichts anmerken, als ich die Gaststätte betrat. Ich erkannte ihn auf den ersten Blick:
Er saß am Ecktisch mit so einer Pennerbraut. Es war vier Uhr nachmittags. Beide waren besoffen. So richtige Kneipen-A tzen halt. Er hatte
kurze dunkle Locken. Geheimratsecken. Einen stämmigen Körper. So wie ich. Und seine Hände und A ugen sahen genauso aus wie meine. Das
erschreckte mich irgendwie. A n seinem glasigen Blick konnte ich erkennen, dass er sich sehr freute, mich zu sehen. »Mann, bist du groß
geworden!«, sagte er. Der Moment war einfach viel zu krass, ich war in Stockstarre und gab ihm die Hand wie einem Fremden. Eine
Umarmung wäre irgendwie komisch
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