Im Bus ganz hinten
mich mitzunehmen.« Meine Mutter war natürlich total geschockt. Sie wusste ja sowieso nie, wie sie mit mir umzugehen hatte, und in dieser Nacht war sie ganz besonders hilflos.
Anstatt mich in den Arm zu nehmen und zu beruhigen, was wohl das Beste gewesen wäre, rannte sie vor lauter Sorge selbst wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung und schickte Marco nach Hause. Ich lag die ganze Nacht wach und spürte, wie irgendetwas in meinem Inneren sich verändert hatte.
Diese Sommerferien gingen in die Geschichte ein – als die schlimmsten meines Lebens. Der Teufel stattete mir von dieser Nacht an immer mal wieder einen Besuch ab. Es lief immer gleich ab: Ich wachte auf, horchte in mich hinein, ob vielleicht irgendetwas mit mir nicht in Ordnung war – und dann war der Satan auch schon bei mir. Ich bekam schließlich Angst vor meinen eigenen Gedanken. Ich konnte nicht mehr schlafen, ging nächtelang spazieren, konnte aber meinen Kopf natürlich nicht einfach ausschalten. Meine Nerven lagen blank. Ich traute mich nicht in mein Bett zurück und fühlte mich irgendwann ganz allgemein in unserer Wohnung nicht mehr sicher, weil ich der Überzeugung war, dass mich der Teufel dort am ehesten suchen würde. Also klingelte ich mitten in der Nacht bei den Hoffmanns. Der Kontakt zu der Familie war zwar in den letzten Jahren immer weniger geworden, aber ich konnte mir trotzdem einigermaßen sicher sein, dass sie mich nicht wegschicken würden.
»Patrick, was ist passiert?«, fragte mich Pastor Arne besorgt, als er mir in seinem Schlafanzug die Tür öffnete. Ich schüttete ihm mein Herz aus und erzählte von meinen Sorgen.
»Wir müssen uns um dich kümmern«, stellte er schockiert fest. Seine Frau Marianne hatte das ganze Gespräch mit angehört und nickte aufgeregt. Ich durfte bei ihnen in der Wohnung übernachten und war heilfroh, weil ich bei den Hoffmanns die Art von Geborgenheit spürte, die mir meine nervöse und mit sich selbst beschäftigte Mutter nicht geben konnte. Die Hoffmanns waren herzlich und offen, während es meiner Mama niemals gelang, mir ihre Liebe zu zeigen. In ihrer Nähe fröstelte es mich.
Die Wärme der Hoffmanns hingegen vertrieb meine Angst. Zumindest kurzfristig. Am liebsten hätte ich von nun an immer bei ihnen geschlafen, es war mir aber viel zu unangenehm, sie darum zu bitten. Also schlich ich mich ab jetzt immer heimlich in ihren Hausflur, sobald es dunkel wurde, und schlief auf den Fliesen unter ihrem Briefkasten. Ich rollte mich vor dem großen Heizkörper ein, damit ich nicht fror, wenn es nachts abkühlte, und beim ersten Sonnenstrahl schlich ich dann wieder davon. Während meiner Zeit als Hausflur-Schmarotzer wurden die Panikattacken kurzzeitig besser. Die Nähe zu den Hoffmanns beruhigte mich, ich hatte das Gefühl, die reine Anwesenheit von Gläubigen würde das Böse vertreiben. Leider hatte ich falsch gedacht: Eines Nachts erwischte mich der Teufel auch im Treppenhaus. Ich war so verzweifelt, dass ich mir Rat bei Sebastian Hoffmann holte. Ihm konnte ich blind vertrauen, und er hatte ja gute Connections nach oben.
Also fragte ich ihn: »Ey, Sebastian. Glaubst du eigentlich an den Teufel?« Und zu meinem Entsetzten antwortete er klar und deutlich: »Ja, selbstverständlich.« Na toll, es gab ihn also wirklich. Jetzt war ich mir ganz sicher, dass meine Gedanken keine Einbildung waren. Der Teufel existierte, und er hatte es eindeutig auf mich abgesehen. Wieder kam dieses Gefühl der Panik in mir hoch. Und diesmal war es noch stärker als bisher. Ich rastete vollkommen aus. Ich verlor den Boden unter den Füßen. Ich schlief seit mehr als einer Woche fast überhaupt nicht mehr. Wie sollte ich dem Satan nur entkommen? Ich litt unter akutem Verfolgungswahn. Ein Gefühl wie auf Drogen, als hätte ich hundertzwanzig Red Bull auf ex getrunken. Ich bekam Halluzinationen: Meine Füße wurden größer und kleiner, und das mit Lichtgeschwindigkeit. Die Welt veränderte sich ständig, das Bild vor meinen Augen drehte sich. Und drehte sich. Und drehte sich schneller. Ich wurde hineingezogen in einen Strudel der Angst. Mir war so schwindelig, dass ich meine Arme nicht mehr spürte. Ich lief nach Hause.
»Mama, der Teufel kommt mich holen. Ich kann mich nicht mehr spüren!« Meine Mutter starb fast vor Angst, und endlich nahm sie mich auch in den Arm, aber helfen konnte sie mir nicht. Also rief sie schließlich meine alte Spieltherapeutin von früher an – Frau Dr. Barbara Uhlmann- Lubich. Ich
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