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Im Bus ganz hinten

Im Bus ganz hinten

Titel: Im Bus ganz hinten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fler
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Hirnverbrannten. Ich gehörte gewissermaßen zur »Elite« – die Massenmörder waren nebenan in der Geschlossenen.
    »Deine Mutter hat dich gestern gebracht. Aber sie ist gleich wieder gefahren«, erklärte Schwester Kerstin und drückte mir einen Begrüßungscocktail in die Hand: Es war Taxilan, ein Beruhigungsmittel. Ich leerte den Becher bereitwillig – Hauptsache, der Teufel blieb mir vom Leib. Als Nächstes bekam ich eine Führung durch die Abteilung, bei der mich Kerstin allen Patienten vorstellte – einer schlimmer als der andere. Hier gab es alle Arten von Wahnsinn: Mädchen, die Stimmen hörten. Mädchen mit aufgeritzten Armen. Mädchen, die sich ständig das Leben nehmen wollten. Es war kaum zu fassen, was los war mit den Mädchen in dieser Stadt. Unter Depressionen litten sowieso alle – Männlein wie Weiblein. Und manche hatten Zwänge. Ziemlich böse Zwänge sogar. Täglich wurde wieder ein Partyopfer eingeliefert, das auf einem LSD-Trip hängen geblieben war. Die irren Augen und Zuckungen dieser Typen wirkten extrem bedrohlich. Ein Patient war besonders schlimm.
    »Über Michael darfst du dich nicht wundern«, warnte mich die Schwester.
    »Er muss fünfmal durch den Türrahmen springen, bevor er sich traut, das Zimmer endgültig zu betreten oder zu verlassen. Und er muss ständig sein Bett aufschütteln – und zwar mit aufgeblasenen Backen. Das ist bei ihm normal.« Arme Sau! Kerstin verriet mir später, warum er unter diesen schrecklichen Zwängen litt: Er hatte als Kind mit eigenen Augen ansehen müssen, wie sein Vater verreckte. Wäre mir so etwas passiert, würde ich heute vielleicht auch öfter mal mein Bett aufschütteln. Zuletzt stellte mir Schwester Kerstin meinen Zimmernachbarn vor. Er saß mit einigen anderen Patienten am Frühstückstisch. Ich hatte anscheinend schon die vergangene Nacht mit ihm in einem Raum gepennt, nur nichts davon bemerkt, weil sie mich bewusstlos gespritzt hatten. Außerdem war mein Nachbar schon am Morgen um fünf Uhr aus den Federn gekrochen.
    »Roland hat schlimme Albträume. Deshalb hält er es nicht lange in seinem Bett aus«, erklärte Kerstin. Sie lächelte. Mein Zimmernachbar lächelte nicht. Er schüttelte meine Hand ziemlich grimmig – begeistert schien er von meiner Ankunft jedenfalls nicht zu sein.
    »Roland hat immerzu Kopfschmerzen. So, als hätte er ständig eine Nadel im Kopf. Deshalb ist er meistens nicht so gut gelaunt«, versuchte Kerstin das Verhalten meines irren Kollegen zu entschuldigen. Ich bekam ein unangenehmes Gefühl im Bauch.
    »Na, das kann ja heiter werden, mit so einem Zimmergenossen«, murmelte ich nahezu unhörbar – wobei Roland so sensibel war, dass er mich vermutlich auch verstanden hätte, wenn ich es nur gedacht hätte.
Wahnsinnig verknallt

    Der erste Tag in der Klapse war zugleich der ereignisreichste. In den folgenden Wochen sollte ich nämlich rein gar nichts mehr erleben: Ich lag Tag und Nacht im Bett, starrte an die Decke und war mit den Medikamenten vollgepumpt, die Schwester Kerstin in regelmäßigen Abständen auf meinen Nachttisch stellte. Der Vorteil: Der Teufel hatte sich vorerst zurückgezogen. Der Nachteil: Mir war todlangweilig. Mein tägliches Highlight: das Frühstück. Jeden Morgen stopfte ich zehn Nutella-Brötchen in mich hinein. Der Rest des Tages war nicht erwähnenswert. So sah mein Leben mit 14 aus. Geil, oder? Ich wurde immer dicker und vor allem depressiver. Und ich war der festen Überzeugung, dass ich es nicht besser verdient hatte. Schließlich war ich verrückt. Selber schuld. Drei Monate lang stellte sich keinerlei Besserung ein. Ich war wie in Trance. Und sobald wir versuchten, die Medikamente abzusetzen, kehrte der Teufel zurück. Mit meinem Zimmernachbarn Roland konnte ich mich arrangieren. Ich war es mittlerweile gewohnt, dass er nachts regelmäßig die gesamte Abteilung zusammenschrie, weil er wieder Alpträume hatte, und dass sein Kopfkissen morgens meist blutrot war, weil er sich nachts die Lippen aufgebissen hatte. Roland war 19 Jahre alt. Eigentlich ein cooler Typ. Wenn er zwischendurch mal normal war, verstand ich mich richtig gut mit ihm. Er hatte ein warmes Herz, aber eine kaputte Seele. Er hatte die krassesten Ausraster, die ich je bei jemandem gesehen hatte, er war dann plötzlich nicht mehr er selbst, so richtig psycho, einfach nicht mehr ansprechbar. Anfangs machte mir das Angst. Aber nach einer Weile war ich nur noch wütend, wenn er wieder einmal wild um sich schlug und die

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