Im Bus ganz hinten
sollte, dann auch wieder nicht. Als der Bus an der Haltestelle stehen blieb, stieg ich aus und stapfte in die Anstalt.
»Yo, ich bin Patrick Losensky. Ich will mich melden, um meine Zeit hier abzusitzen.« Ich schob dem Beamten meine schriftliche Einladung rüber.
»Personalausweis, bitte!«, forderte der in strengem Ton.
Auch den gab ich ihm. Er prüfte das Dokument und schwieg, während ich nervös mit meinem Fuß auf dem Boden tippelte. Nach einer Minute blickte der Kerl dann wieder hoch.
»Okay, Sie bleiben das ganze Wochenende hier. Das bedeutet 48 Stunden Arrest in einem Einzelraum!« – »Heißt das, ich kann nicht raus auf den Hof oder so?« – »Nein, das ist erst bei einer Arrestzeit ab einer Woche gestattet«, lautete seine wenig freundliche Auskunft. Ich musste alle meine persönlichen Sachen abgeben, Portemonnaie, Handy, Schlüssel, Uhr, und dann wurde ich von einem zweiten Beamten abgeführt. Er öffnete eine große Tür und brachte mich zu meinem Raum. Auf dem Weg kamen wir am Aufenthaltsraum der Jugendlichen vorbei, und hier war es ziemlich laut. Die Typen da drinnen brüllten sich gerade aus vollem Hals an, anscheinend gab es eine ernsthafte Meinungsverschiedenheit. Worum genau es sich handelte, konnte ich aber nicht hören.
Gleich um die Ecke befand sich mein Zuhause für die nächsten zwei Tage. Der Beamte schubste mich hinein.
»So, hier bleibst du. Wenn was ist, kannst du klingeln, und vielleicht kommt dann wer.« Er verließ den Raum, zog die Türe zu und schloss von außen ab. Das Klicken des Schlosses war das letzte Geräusch, das ich hörte, danach herrschte Stille. Ich war umgeben vom Nichts. Von einer unangenehmen Leere. Ich begann mich in meinem Zimmer umzusehen, aber viel gab es da nicht zu entdecken: lediglich ein Holzbett und einen Schrank. Das war’s. Es erinnerte mich ein bisschen an meine Heimkammer. Ich schnaufte und ließ mich auf die Matratze fallen. Sie war ziemlich hart.
»Na ja, dann chille ich jetzt mal eben zwei Tage hier«, dachte ich. Als ich so dalag, fiel mir auf, dass vor mir viele andere Jungs ihre Namen hinterlassen hatten. Die Wände waren mit Edding und Kugelschreibern vollgekritzelt. Ich versuchte zu erkennen, ob Freunde oder Bekannte von mir dabei waren, aber keiner der Namen sagte mir etwas. Dann begann die Langeweile. Ich starrte an die Decke. Später stand ich auf und blickte durch das kleine, vergitterte Fenster nach draußen. Ich lief auf und ab, kreuz und quer. Ich hatte Hummeln im Arsch, aber die durften halt nicht raus. Da ich meine Uhr an der Pforte abgegeben hatte, konnte ich nicht einschätzen, wie spät es war. Die Sonne schien draußen jedenfalls immer noch hell. Allzu spät konnte es nicht sein.
Das Highlight des Tages bestand dann darin, dass die anderen Insassen plötzlich wie wild gegen meine Türe schlugen und irgendetwas Eigenartiges riefen, was ich nicht verstand.
Ich versuchte die Zeit mit Nachdenken totzuschlagen: Bin ich echt so ein schlimmer Sohn, oder warum muss ich jetzt hier sein? Ist Patrick ein Monster, das man wegsperren muss? Habe ich wirklich eine Macke, oder sind es die anderen? Und: Was ist eigentlich mit Mama los? Als Mutter muss sie ihren Sohn doch mögen, warum kann sie es mir dann nicht auch zeigen? Fragen über Fragen. Mich quälte, dass ich nicht eine einzige Antwort parat hatte. Ich wusste nur eines: Auf Jugendknast hatte ich keinen Bock. Allein die wenigen Stunden hier reichten mir vollkommen. Ich musste sofort etwas Anständiges mit meinem Leben anfangen. Ich musste aufhören, kriminell zu sein, aber mir fiel beim besten Willen nicht ein, was ich Vernünftiges hätte machen können.
Durch das viele Denken wurde ich hungrig. Ich hätte mir tonnenweise Schokolade oder Kuchen reinhauen können, doch ich musste warten bis zur Raubtierfütterung. Als der Wärter mir irgendwann einen Teller hereinbrachte, stürzte ich mich gleich auf das Essen. Es gab labbrigen Toast mit Cervelatwurst. Wieder einmal. Anscheinend war das eine echte Berliner Spezialität für gestrandete Jugendliche – damit man sich in jeder Einrichtung gleich zu Hause fühlte. Die Mahlzeit schmeckte überhaupt nicht, aber das war mir in diesem Moment egal. Zu trinken gab es Sprudelwasser. Das kippte ich hinterher. Und dann hatte ich immer noch Hunger. Aber es gab nichts mehr. Tatenlos hockte ich weiter auf meinem Bett.
Zwei Nächte später war es endlich geschafft.
»So, das war’s. Du kannst gehen«, sagte mir der Beamte, als er die Türe
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