Im Bus ganz hinten
würde. Ich schreckte hoch und fasste mir mit der Hand an die Brust. Aber es hörte einfach nicht auf. In meinem Schädel begann es zu rauschen. Ich musste raus aus der Wohnung – und zwar schnell! Hektisch schnappte ich mir meinen Rucksack, stopfte ein paar Sprühdosen hinein und lief aus dem Haus, auf die Straße, ins Licht.
Die Panikattacken kamen von nun an wieder öfter, und so kam es, dass ich fast jede Nacht auf der Straße war. Und obwohl die Züge inzwischen wesentlich besser bewacht waren als früher, waren sie noch immer mein Lieblingsziel zum Sprühen.
Die kriegen uns nie!
Einigen Kumpels von mir ging es ähnlich. Auch sie zogen im Dunkeln lieber mit mir um die Häuser, als zu pennen. Die beste Stelle zum Sprühen war immer noch der S-Bahnhof Schöneberg – aber um dort hinzukommen, musste man erst mal über den Friedhof am Innsbrucker Platz. Ich fand es ziemlich unheimlich, nachts an den Gräbern vorbeizulaufen, da ich nach meiner früheren Erfahrung mit dem Tanz der Teufel die Angst vor Geistern nie wieder losgeworden war. Für mich war der Weg über den Friedhof immer der blanke Horror!
War man endlich an den ganzen Grabsteinen vorbei, konnte man durch ein Loch im Zaun gucken und ausspionieren, ob jemand da war und die Gleise bewachte. Ich wartete immer so lange, bis die Luft rein war. Eigentlich war es ab drei Uhr nachts hier am besten, weil die sogenannten Checker dann verschwunden waren. Aber leider hatte ich es in der letzten Zeit mit dem Sprühen derart übertrieben, dass die Bullen das Lay-up jetzt noch wesentlich krasser überwachten. Ich war geradezu süchtig nach dem Sprayer-Kick. In der Szene war ich längst kein Unbekannter mehr, die Leute hatten den Namen »Fler« in der ganzen Stadt gelesen, und ich wollte dafür sorgen, dass sich daran so bald nichts änderte.
Eines Abends rief ich meinen Kumpel Spok an, und wir trafen uns, als es gerade erst dunkel wurde. Eigentlich war das viel zu früh und zu gefährlich, aber ich hatte mittlerweile schon so viel Erfahrung im Sprühen, dass ich es versuchen wollte. Spok und ich kletterten also zusammen auf das S-Bahn-Gelände, auf dem die Zugführer nach Betriebsschluss ihre Wagen abstellten. Zwei S-Bahnen standen bereits da – bereit, von uns besprüht zu werden.
»Komm, wir nehmen den«, flüsterte ich Spok zu und zeigte auf einen Wagen an der rechten Seite. Wir stellten uns auf einen Steg neben die Gleise und holten unsere Dosen raus.
»Ey, gib mir mal dein Schwarz«, sagte ich zu Spok – aber das konnte er schon gar nicht mehr hören. Mit einem riesigen Windstoß rauschte eine S-Bahn an uns vorbei. Wir standen bestenfalls einen Meter davon entfernt. Mein Herz rutschte mir in die Hose.
»Scheiße. Ich hab gar nicht dran gedacht, dass die Bahnen noch fahren«, sagte Spok und war ganz bleich im Gesicht.
Mir war vollkommen egal, dass es erst acht Uhr abends war – eine wirklich untypische Zeit zum Sprühen. Ich war auf dem totalen Kamikaze- Trip. Wir gingen jeder an ein Ende des Waggons und begannen mit unserem Bild. Es hatte zu regnen begonnen, und immer wieder fuhren in Höchstgeschwindigkeit die Züge an uns vorbei, aber ich war so in die Arbeit vertieft, dass ich kaum noch etwas davon mitbekam. Die Fahrer der Bahnen, die sonst immer hysterisch hupten, mussten uns ja sehen, ignorierten uns heute aber seltsamerweise komplett.
»Das geht voll easy hier, wa?« Spok war ebenfalls total in seinem Element und sprühte, was das Zeug hielt.
»In zwanzig Minuten haben wir das Piece fertig.
Das glaubt uns keiner!«, lachte er euphorisch. Ich war auch begeistert, hatte aber plötzlich ein komisches Gefühl im Bauch. Ich fühlte mich beobachtet. Schnell guckte ich nach rechts, nach links, aber es war niemand zu sehen, also sprühte ich weiter. Dann hörte ich ganz leise einen Zweig knacken.
»Scheiße, da ist jemand«, flüsterte ich. Wieder guckte ich nach rechts, nach links, nach hinten, sah aber noch immer nichts. Es knackte wieder.
»Was war das???« Allmählich bekam ich Panik. Und dann entdeckte ich einen Mann, der sich zwischen den beiden Zügen auf den Gleisen versteckte.
»Kacke!« Ich stupste Spok an, der völlig vertieft in das Bild war. Mit dem Finger zeigte ich lautlos auf den Typen.
Gleichzeitig sprangen wir weg vom Zug, schnappten unsere Rucksäcke und rannten los.
»Es gibt nur einen Fluchtweg«, keuchte ich.
»Von hinten kommt der Bulle, wir müssen die Treppe hoch und über den Friedhof – hoffen wir, dass da oben nicht
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