Im Bus ganz hinten
meiner Kehle. Warum hast du nicht die Polizei gerufen?« Ich legte auf. Ich war einfach nur geschockt. Biep, biep – dann kam auch noch eine SMS hinterher: »Die Kripo ist jetzt da.« Ich antwortete nicht, hatte, ehrlich gesagt, aber ordentlich Schiss. Jetzt wollte mir diese blonde Fotze auch noch was anhängen! Ich hatte keinen Plan, was zu tun war, deshalb rief ich sofort meinen Kumpel Frauenarzt an – der hatte schließlich viel Erfahrung mit der MySpace-Abschlepperei.
»Arzt, Alta! Die erzählt irgendwas von Tür offen gelassen und vergewaltigt«, schrie ich ins Telefon.
Er wusste sofort, von wem ich spreche. Anscheinend war die Tussi keine Unbekannte. Zum Glück beruhigte er mich gleich: »Die Alte spinnt, die ist echt geisteskrank. Scheiß auf die. Da wird nix kommen!« Ich atmete tief durch, legte auf und schlief wieder ein.
Leider sollte Frauenarzt nicht recht behalten. Nur eine Woche später bekam ich einen Brief von der Kripo, von der Abteilung am Zoologischen Garten, die sich nur um Delikte am Menschen kümmerte – also um alles, was mit Mord und Vergewaltigungen zu tun hat. Es war eine Vorladung, aber Gott sei Dank nur als Zeuge. Wenn ich jetzt auch noch wegen einer Vergewaltigung unter Verdacht gestanden hätte, wäre meine Rap-Karriere wohl mit einem Schlag beendet gewesen. Ich sah schon die Schlagzeile in der BILD-Zeitung: »Nazi-Rapper jetzt auch noch Vergewaltiger!« Ich versuchte mich zu beruhigen: Was sollte ich groß zu befürchten haben? Ich hatte ja nicht mal meinen Schwanz da reingesteckt. Zum Glück!
Also fuhr ich auf die Wache. Im Eingangsbereich kamen mir schon drei Kripo-Frauen entgegen. Sie sahen aus wie hysterische Lesben im Kampfkostüm: zu kurze Haare, zu große Nasen, zu viele Muskeln und generell eine zu männliche Ausstrahlung. Ich dachte nur:
Ogottogottogott. Bei der Vernehmung erzählte ich ihnen dann, dass die Opfer-Tussi nur ein MySpace-Groupie von mir war und am Ende nicht einmal ein One-Night-Stand daraus geworden war. Ich kannte die praktisch gar nicht. Ich schlug aus Prinzip keine Frauen, und ich erwähnte auch das Kind im Nebenzimmer.
»Die will nur Aufmerksamkeit erregen«, versuchte ich den Weibern in Uniform zu erklären. Sie zeigten mir die Fotos aus der Wohnung des Opfers und fragten mich, ob sie zu dem Zeitpunkt, als ich da gewesen war, genauso ausgesehen habe. Mir fiel sofort auf, dass die Wodkaflasche, die wir beide ja kaum angerührt hatten, plötzlich leer war. Auf dem Tisch standen außerdem noch ganz viele andere Flaschen und Gläser. Es sah aus, als ob ganz viele Leute dort gefeiert hätten. Ich machte meine Aussage. Sie fragten mich weiter: »Herr Losensky, werden wir in der Wohnung DNA-Spuren von Ihnen finden? Hatten Sie Sex mit dieser Frau?« Ich verneinte mit ruhigem Gewissen.
»Wir haben nur geknutscht.« Und zum Glück glaubten mir die Polizistinnen, ich hörte nie wieder was von denen. Mann, war ich erleichtert! In welche Scheiße mich die alte Hure da wohl hatte reinziehen wollen? Manche Leute haben doch echt kein Leben. Ab diesem Tag wurde ich vorsichtiger mit Frauen aus dem Internet.
Erwischt! Hände hoch!
Ich war jetzt ein Rap-Star, aber über meine geile Zeit als Sprüher dachte ich noch oft nach. Ich vermisste sie. Sehr sogar! Und immer wenn ich in Berlin war, kämpfte ich mit meinem Gewissen: Sollte ich noch mal raus, oder ließ ich es lieber bleiben? Mein Gesicht war ständig auf MTV und VIVAzu sehen. Jeder kannte mich. Konnte ich da wirklich noch so was machen? Ich entschied mich für: ja! Ein letztes Mal. Ich wollte meine Sprüherkarriere mit einer richtig geilen Aktion beenden. Suke und Cald, zwei Kollegen aus der Szene, erzählten mir von einer coolen Sache: Für ein Graffitimagazin war eine DVDgeplant. Dafür sollte sogar gefilmt werden, wie wir unser Bild malten. Ich sagte natürlich zu.
Meine Lieblings-Sprüher-Location Schöneberg war das Ziel. Drei Tage vorher checkten wir die Lage ab, suchten nach Fluchtwegen und dem besten Platz für unser Piece. Dann ging es los: Wie früher schlichen wir über den Friedhof zum S-Bahn-Lay-up, sprühten, filmten und hatten richtig viel Spaß. Als wir fertig waren, flüsterte ich Cald zu: »Gib mir mal das Tape. Ich behalt es lieber bei mir.« Er nickte, zog es aus seiner Kamera und warf es mir rüber. Dann blieb er stehen und fasste sich an die Stirn.
»Ich hab meine Dosen vergessen, ich muss noch mal zurück«, sagte er und schlich sich weg. Als Nächstes klingelte plötzlich mein Handy.
Weitere Kostenlose Bücher