Im Bus ganz hinten
das Gleiche erwartete ich gefälligst auch von meinem Label.
Über Djorkaeff lernte ich Godsilla kennen, der gleich bei mir um die Ecke wohnte. Er war in der Berliner Untergrundszene schon ziemlich bekannt, da seine krasse Stimme einfach unverkennbar war. Und man hörte an seinen Tracks, dass ihn meine Musik beeinflusst hatte – insbesondere das Tape Carlo Cokxxx Nutten, das ich damals mit Bushido produziert hatte. Somit stand fest: Der Kerl hatte einen guten Musikgeschmack. Für mich war Godsilla ein Talent, das gefördert werden musste – ich wollte ihn supporten und ließ ihn auf meiner Platte rappen. Sowieso hatte ich keinen Bock, mich nur auf mich selbst zu konzentrieren. Ich dachte: Hilfst du den anderen, dann hilfst du dir selbst!
Silla hatte es auch nicht leicht. Er hatte ähnliche Probleme wie ich – und schon ziemlich viel Scheiße durchgemacht. Er war nicht so wirklich zufrieden mit seinem Leben. Genauso ein Freak wie ich. Deshalb fand ich, dass wir ganz gut zusammenpassten.
Ich merkte allerdings bald, dass es einen entscheidenden Unterschied gab zwischen Silla und mir. Je öfter ich mich mit ihm traf, desto mehr wurde mir klar, dass er seine Probleme im Alkohol ertränkte. Wenn’s ihm schlechtging, soff er eine ganze Flasche Whiskey auf ex, und das war nicht ungefährlich. Irgendwie schien er ganz anders mit seinen Sorgen umzugehen als ich. Ich hatte ja selbst immer wieder meine Panikattacken, aber trotzdem trank ich nur wenig. Ich therapierte mich lieber mit der Musik. Die Reime und Beats waren wie eine Art Pflaster für meine Seele. Hip-Hop war das Einzige, was mir dabei half, mit meinem Scheiß klarzukommen. Und ich wollte unbedingt, dass das bei Silla auch so funktionieren würde. Ich war mir sicher: Entweder ich würde ihn retten, oder er würde nicht mehr lange leben. Deshalb setzte ich mir in den Kopf, ihn vom Alkohol loszubekommen. Wer, wenn nicht ich, konnte ihm helfen? Schließlich hatten wir so viel gemeinsam: Wir waren beide Penner, die nichts hatten außer ihrer Musik. Das musste doch gehen. Es schien glasklar: Ich war dazu auserwählt, seinen Arsch zu retten. Aber leider hatte ich die Rechnung ohne Silla gemacht: Er hörte nämlich null auf mich.
So wie Aggro. Denen war ich mittlerweile scheißegal. Als Südberlin Maskulin endlich rauskam, merkte ich ganz deutlich: Die Typen glaubten einfach nicht mehr an mich. Ich hatte mein ganzes Herz in die neuen Songs gesteckt, und für Specter und Co. war die Platte ein minderwertiges Produkt. Sie machten keinerlei Promo dafür. Obwohl sich vonseiten des Labels niemand um das Album scherte, entwickelte es sich überraschenderweise zum Grower in der Szene und fand zunehmend mehr Käufer.
Trotzdem: Der mittelmäßige Erfolg war ernüchternd für mich. Und für Silla galt genau das Gegenteil: Er soff immer mehr. Und das, obwohl ihm die Platte eigentlich sehr weitergeholfen hatte. Die Leute kannten jetzt seinen Namen, und das war ja wohl das Wichtigste im Rap. Bei ihm schien das mit der Therapie durch die Musik nicht zu funktionieren. Er steckte in einer tiefen Identitätskrise, wusste einfach nicht, wer er war und wer er sein sollte, und das war, wie ich ja wusste, das schlimmste Gefühl überhaupt. Silla trank nur noch. Meine Angst um ihn wurde jeden Tag größer. Zu Recht, wie sich bald herausstellen sollte – denn es passierte genau das, wovor ich mich immer so gefürchtet hatte: Er soff eines Abends so übertrieben viel, dass er allein in seiner Wohnung ins Koma fiel. Zum Glück bemerkten die Nachbarn, dass etwas faul war, weil er sich im Vorfeld schon so seltsam benommen hatte. Sie riefen die Polizei und den Notarzt. Mit Blaulicht wurde er ins Benjamin- Franklin-Krankenhaus gefahren und brach dort den Promille-Rekord: 4,9.
Daran kann man sterben. Silla hatte Glück.
Hilfe, ich bin pleite!
Mittlerweile hatte ich mich mit meinem Psycho-Dilemma abgefunden. Ich hatte 24 Stunden am Tag den Getto-Wahnsinn im Kopf, doch ich hatte es inzwischen aufgegeben, deswegen Hilfe bei Ärzten zu suchen. Mir war klar geworden, dass ich selbst oder besser gesagt meine Lebensumstände schuld an allem waren. Mir fehlte ein sicherer Hafen, in den ich gelegentlich hätte zurückkehren können – eine Frau zum Beispiel, mit der ich wirklich hätte reden können und die nicht bloß hinter mir her war, weil sie mein Gesicht mal auf MTVgesehen hatte. Mir fehlte eine Familie, und ich wusste: Solange sich daran nichts änderte, würden die Wunden auf meiner Seele
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