Im Café der moeglichen Traeume
Wälder unnütz gerodet werden
Schuhe und Kleider
Den Newsletter www.renttherunway.com abonnieren; auf Märkte gehen und Geduld mitbringen; Outlets und Billigshops aufsuchen; wöchentliche Tauschaktionen und Swap Partys organisieren; erhobenen Hauptes den Buy Nothing Day feiern
Reinigung
Pullover per Hand waschen, ohne sie zu verfilzen; nur volle Maschinen waschen und auf hohe Temperaturen verzichten
Friseur
Sich als Versuchskaninchen für Azubis melden, die einem die Haare kostenlos schneiden
Mit dem Kuli dazusitzen und zu streichen, was bis vor ein paar Stunden unverzichtbar schien, ist wie eine innere Reinigung. Ich verspüre bereits eine gewisse Leichtigkeit, und wenn ich die Notlage irgendwie meistere, kann ich mich sicher vor der frühzeitigen Verbitterung bewahren. Ich muss einfach Prioritäten setzen. Qualität statt Quantität. Seit Monaten schon trage ich mich mit dem Gedanken, Kleider, T-Shirts, Blusen und Mäntelchen nach Farben zu sortieren und in dem winzigen Wandschrank, den ich hinter meinem Bett geschaffen habe, unterzubringen. Ich werde alles neu zusammenstellen, die Palette auf den Kleiderbügeln anders abmischen und eine zufriedene Exkonsumentin sein, und das zu null Kosten. Die Zeit der Kleider anzuhalten ist möglich, und ebenso möglich ist es, ihnen eine zweite Chance zu geben. Neu kombiniert, wirken sie praktisch neu. Und wie meine GroÃmutter immer sagte: Um sich gut gekleidet zu fühlen, reicht ein Kleid aus Seidenkrepp für den Sommer und eines aus Wollkrepp für den Winter. Archäologie, ich weiÃ, aber die Demütigung des HRM hat mich zwangsläufig an unsere kleinen Fluchten erinnert, als wir losgezogen sind, um »die Zeit anzuhalten«.
Wir fuhren mit dem Bus bis zur Endstation. Dort, wo die Häuser aufhörten, zwischen grünen, sanft gewellten Feldern, wo im Frühjahr wilde Margeriten wuchsen, begann unsere Wanderung zu den Bäumen. »Dring in ihr Herz ein, höre es klopfen«, sagte sie und umarmte eine Platane, eine Pappel oder einen Ahorn. Wir liefen über die Wiese, hielten uns an der Hand und sammelten Blätter, die wir später auf Zeichenpapier abmalen würden. Meine GroÃmutter glänzte mit botanischen Kenntnissen, die sie gar nicht besaÃ. »Spüre die Energie, werde wie sie: beständig, aufrecht, stark nach auÃen und warm im Innern«, schloss sie überzeugt und überzeugend. Das waren keine komplizierten Worte, sogar ich konnte »ihren Sinn« begreifen, und so schlang ich die Arme um die dünnsten Bäume, um sie vollständig umfassen zu können. Die Bedeutung des Wortes »Energie« entzog sich mir, und doch fühlte ich mich damals stark wie ein Baumstamm, leicht und luftig wie ein Blatt und gleichzeitig fest im Boden verankert, als würden aus meinen FüÃen Wurzeln sprieÃen. Wenn Mama uns abends fragte, was wir denn Schönes gemacht hätten, sagte meine GroÃmutter: »Wir sind ein bisschen herumgebummelt.« Eines ist sicher: Wenn wir wieder in den Bus stiegen, war jede Traurigkeit verflogen.
Noch heute mache ich es so, und in diesem Moment würde ich liebend gerne ihre Stimme hören, die mir zuflüstert: »Lass uns das Glück suchen, und wenn wir es hier in der Nähe nicht finden, steigen wir in den Bus.« Tatsächlich bräuchte ich in diesem Moment weniger einen Baum als einen ganzen Wald, aber es schneit unermüdlich, und allein schaffe ich es nicht, mich von diesem Stuhl zu erheben und ein bisschen herumzubummeln.
Es ist 11:29 Uhr, und ich habe jede Menge Zeit.
Das denkt man immer, dass man jede Menge Zeit hat.
Der Klingelton meines iPhones ist leise gestellt. Er vermeldet den Anruf einer unbekannten Nummer. Ich gehe nicht dran. Diese Angst, wenn ich nicht weiÃ, wer am anderen Ende ist, habe ich nie ablegen können. Seit jenem Nachmittag.
Als am 6. Dezember 1982 das Telefon klingelte, schaute ich gerade fern.
Sechzehn Tage zuvor war meine GroÃmutter die Treppe hinabgestürzt, bis ganz hinunter zum Treppenabsatz. Wir wollten der Signora Olga aus dem dritten Stock, Aufgang B, einen Brief bringen, einer ziemlich hartnäckigen Frau, die manchmal gleich zwei Briefe in Auftrag gab, um sie ihrem Gatten zukommen zu lassen, der allerdings nie darauf antwortete. In ihrem Starrsinn lieà sie aber nicht davon ab, diesem hochnervösen Mann kitschige Liebesschwüre unter die Kuchenstücke zu schieben, laut meiner
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