Im Café der moeglichen Traeume
StraÃe, und in der Folge eine Einzimmerwohnung, die so winzig war, dass sich Sarah zwischen einer brummenden Spül- und einer brummenden Waschmaschine hatte entscheiden müssen.
Einladender als Busse, promiskuitiver als Bars oder Partys, effizienter als Hörsäle oder Büros erwiesen sich Waschsalons als einer der besten Orte, um Männer kennen zu lernen. Kurzum, Sarah wartete vor dem Bullauge von Maschine 17, während ihr zukünftiger Ehemann, ein frischgebackener Ingenieur mit Festanstellung, vor der Nummer 18 saà und sich dankbar in das Geheimnis einweihen lieÃ, wie man Oberbetten wusch. Sogar Weichspüler lieh sie ihm.
Das ist das Schicksal, das zuschlägt, wenn sich die Puzzleteilchen ohne zermürbende Anstrengungen zusammenfügen. Mir würde so etwas nie passieren, denn selbst wenn mir jemand wahnsinnig gut gefällt, denke ich, dass ich Zeit brauche, dass ich mich mit ihm unterhalten muss, dass ich vielleicht Blues mit ihm tanzen muss. Bis heute bin ich noch nie vom Hier und Jetzt überwältigt worden. Es ist, als würde ich immer das Stimmchen meiner GroÃmutter vernehmen, die bei Leo vollkommen richtiglag, obwohl ich nicht auf sie gehört habe.
Plötzlich nicht mehr der unabhängige Single, der immer alles alleine macht, bezog Sarah uns auch in die Hochzeitsvorbereitungen mit ein. Mama und Schwiegermama wurden ausgebootet und eine Gruppenhochzeit auf den Weg gebracht, organisiert von uns Single-Freundinnen, die keinerlei Erfahrung, dafür aber jede Menge Ideen hatten. Sarahs Vater wahrte die Tradition immerhin, indem er uns ein gewisses Budget zur Verfügung stellte. Obwohl Sarah sich kaum lange genug aufrechthalten konnte, um ja zu sagen, und der Zeremonie auch nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit zu folgen vermochte, war ihre Hochzeit eine überaus lustige und oft sehr anrührende Angelegenheit. Es war ja auch die erste in unserer Gruppe von schwesterngleichen Freundinnen und hatte den improvisierten Reiz der absoluten Novität. Die standesamtliche Hochzeit dauerte zehn Minuten, einschlieÃlich Unterschrift der Trauzeugen, aber nach der nüchternen Prozedur konnten wir mit unserem Gartenfest in der angrenzenden Villa, die wir von einer Freundin der Familie geliehen hatten, noch einmal besonders auftrumpfen.
Angefangen vom Tischschmuck â ein Triumph aus Leinendecken und Kamelien, da Sarah ein leidenschaftlicher Fan von La Traviata ist, was ihren sprichwörtlichen Rationalismus Lügen straft â über die Vanilleduftkerzen bis hin zur erbarmungslosen Benimmliste für die Gäste war alles auf unserem Mist gewachsen. Der verliebte Ingenieur beschränkte sich darauf, dem Ganzen beizuwohnen und sich rührend um die angehende Mama zu kümmern.
Das Geschenk von uns vier Brautjungfern war bis zum letzten Moment geheim geblieben und wurde mit groÃer Begeisterung aufgenommen. Ich hatte vorgeschlagen, einen alten Doppeldecker zu mieten, der auf einer Flughöhe von dreitausend Metern eine Gedichtzeile in den Himmel malt. Wochen hatte es gedauert, bis ich die anderen mit ihrem Sinn fürs Praktische überzeugt hatte und nicht mehr Phrasen zu hören bekam wie: »Die beiden bekommen ein Kind, da kann man doch so viel gebrauchen«, »besser etwas Nützliches, ein Gedicht ist doch vergänglich« und so weiter und so fort, aber am Ende hat der hoch über den Köpfen schwebende Satz alle verzaubert. Brautleute und Gäste richteten ihren Blick in den Himmel und freuten sich wie die Kinder.
Nach Mittagessen und Flugschau trugen wir im Wechsel unser zweites Geschenk vor und spielten uns die Verse dieser Hommage an die Waschsalons gegenseitig zu.
WANN WÃRE LIEBE NICHT LIEBE AUF DEN ERSTEN BLICK
Nicht in unserer Macht liegt es, zu lieben oder zu hassen,
Da unseren Willen das Schicksal beherrscht.
Legen zwei Läufer vor dem Rennen ihr Kleid ab,
Ist es uns wichtig, dass der eine gewinnt;
Und auch von zwei Goldbarren, vollkommen gleich,
sticht stets der hervor, der uns besser gefällt.
Den Grund weià keiner, aber lasst euch gesagt sein:
Was wir betrachten, gehorcht dem Urteil der Augen.
Wägen sie ab, kann es Liebe kaum sein: Denn
Wann wäre Liebe nicht Liebe auf den ersten Blick.
Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Hochzeit seinen zukünftigen Ehemann kennen zu lernen, ist äuÃerst gering, wesentlich geringer als die Wahrscheinlichkeit, sich zu betrinken, sich irgendwelche nicht
Weitere Kostenlose Bücher