Im Café der moeglichen Traeume
überträgt. Und hatte alles falsch gemacht.
Hinter ihm ein Rascheln, und hinter diesem Rascheln ein graumelierter Kellner mit einem Tablett voller Champagnergläser. Das Brautpaar würde gleich die Torte anschneiden. Diego suchte verzweifelt nach Synonymen. Nicht mehr verliebt, nicht die wahre Liebe, Feigheit, Unfähigkeit. Angst.
Liebe mich, das genügt!
Das Vokabular der Glücklichen ist einfach.
Diego und Mathilde mit dem Champagner in der Rechten und der Zigarette in der Linken waren einander ein Rätsel, und es hatte dieser beiden Unbekannten bedurft, um das zu begreifen. Es war eine dieser Intuitionen, die im Gehirn entstehen und dich quälen, bis du die Konsequenzen ziehst.
Die übliche Geschichte: Alte Ãngste treten zutage, sobald ihm das Wasser bis zum Hals steht, und dann ringt er nach Luft, muss tief durchatmen und woanders hinschauen, und sei es nur, um ein wenig Frieden zu finden.
Mathilde war unglaublich schön. Brüste. Hüften. Augen. Lächeln. Leichtigkeit. Er verehrte sie. Ihm gefiel das türkisfarbene Kleid, das sie angezogen hatte, und ihre sanften, warmen Hände, die sich auf seine Schultern legten.
Verehren heiÃt nicht lieben.
Mathilde war selbstsicher, immer und in einem MaÃe, dass sie schon fast an Konturen verlor. Verlässlich kam sie zum Kern der Dinge, ohne Umwege. Sie liebte ihn, das genügte â wie in dem Satz, den der Doppeldecker an den Himmel geschrieben hatte, bevor er dann unter Applaus gelandet war. Wenn sie nachts bei ihm geblieben war, freute sich Diego, noch im Halbschlaf, über ihre weiche Haut. Er streichelte ihren muskulösen Rücken und die Schulterblätter, die zwei eingeklemmte Flügel zu sein schienen, und die Gruben darunter. Wenn sie sich geliebt hatten, konnte er stundenlang in ihren Duft eintauchen, um ihre Armbeugen zu betrachten, ihre Brüste darunter. Oder er lauschte ihrem sanften Atem, wenn sie schlief, oder berührte ihr Gesicht und ihre Lippen und alles andere auch. Wenn er allerdings zwischen einem Kuss und einer Umarmung hätte wählen müssen, hätte er die Umarmung gewählt, die eindringlichste Form zu sagen: »Bleib, verlass mich nicht.«
Und das ist vielleicht nicht die Liebe, die man einer Frau schuldig ist.
Bei der Hochzeit zweier Unbekannter, die sich soeben für immer verbunden hatten, spürte Diego die Unfähigkeit, eine der wunderbarsten Frauen, denen er je begegnet war, wirklich zu lieben. Und das war keine Frage der Zeit. Die Lüge, dass er Zeit brauche, stand ihm nicht mehr zu Gebote.
Mathilde hätte ihn für einen Versager gehalten, einen wankelmütigen Feigling, den üblichen hypersensiblen Schwächling, der verletzt und verwirrt war und stundenlang im Bett mit ihr Filme anschauen konnte, ohne ihr den Film seines eigenen Lebens erzählen und mit Worten den Stacheldraht um sein Herz lösen zu können. Diegos Worte würden besagen, dass er nie von jemandem geliebt werden wolle, der nicht sie sei, um sich dann aber nicht entsprechend zu verhalten. Schlimmer noch, nicht entsprechend zu fühlen . Er wollte ihr die üblichen Sprüche ersparen: »Du hast etwas Besseres verdient, verzeih mir bitte, nein, es gibt keine andere, nein, du hast keine Schuld, nicht das winzigste bisschen Schuld, wenn überhaupt jemand schuld ist, dann ich, ausschlieÃlich ich, mir schon klar, wie sehr ich dich verletze, ich bin ein Ausbund an Niedertracht, der übliche Idiot, der alles zerstört.«
Es ist nur einfach so, dass die Dinge ohne Vorwarnung sterben, und wenn sie sterben, werden sie nie wieder lebendig, da muss man sich keine Illusionen machen.
Auf jenem von den Gästen plattgetretenen Rasen hatte er also zu reden angefangen, ohne auf die richtigen Worte zu achten. Er hatte ihr direkt in die Augen geschaut und seine dumme Schüchternheit in seine Hand gesetzt.
»Mathilde.«
»Ja.«
»Ich möchte dir etwas sagen. Ich muss dir etwas sagen. Nun â¦Â«
»Nun was?«
Sie schaute ihn an, vertrauensvoll. Und nahm ihm das leere Sektglas ab.
»Ich bin noch nicht so weit. Ich kann das nicht.«
Mathilde biss sich in die Hand, lachte nervös und bereitete diesem üblichen Verlierergeschwätz ein Ende. Ihre Stimme brach, als sie einen ganzen Schwall an Worten hervorstieÃ: »Du willst mich verlassen, ohne zu wissen, warum.«
Als wäre sie darauf vorbereitet, als wüsste sie schon
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