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Im Café der moeglichen Traeume

Im Café der moeglichen Traeume

Titel: Im Café der moeglichen Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paola Calvetti
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alles.
    Â»Trink noch einen Schluck, Diego, du machst das prima. Und wenn du schon dabei bist, fick dich. Dich und deine ewige Leier. Siehst du die beiden da? Die jammern sich nicht gegenseitig etwas vor. Sie lieben sich, sie vögeln, und jetzt heiraten sie, weil bei einer dieser wunderbaren Vögeleien ein Kind entstanden ist. Das ist das Leben, Diego: lieben, vögeln, sich fortpflanzen, sterben. Aber du machst da nicht mit, dir gefällt es, abseits zu stehen. Das ist ja auch bequemer.«
    Diego konnte nichts anderes denken, als dass Mathilde wunderschöne Zähne hatte. Und er beneidete sie. Er beneidete eine junge Frau, die sich die Freiheit nahm zu weinen.
    Wer weiß, warum sie ihm gerade jetzt in den Sinn kommt, als er die Konditorei verlässt, sich von Enrico verabschiedet und auf sein neues Ziel zusteuert.

15:57 Uhr
    In der Bar Tabacchi herrscht Aufruhr.
    Halt, Moment, wer sind diese Eindringlinge? Es war ein so stiller Ort, und jetzt wird er zum Tollhaus. Sie platzen herein, pflanzen sich an die Bar und knallen, wenn sie wieder gehen, die Tür hinter sich zu. Sie behandeln die Bar wie einen Gebrauchsgegenstand, dabei ist sie für uns, die wir hier leben, etwas vollkommen anderes!
    In diesem Limbus verliere ich allmählich die Orientierung. Dem Gefühl der Mattigkeit nach zu urteilen dürfte der Moment gekommen sein, um das letzte Kleingeld auszugeben. Der Nachmittagssnack ist ein Luxus, den ich mir selbst in den schwärzesten Momenten nicht nehmen lasse. Als Kind war ich nur Haut und Knochen, und meine Großmutter verordnete mir schon mit fünf eine spezielle Schonkost, die nichts mit Verzicht und Reue zu tun hatte, sondern lediglich eine bewusste Auswahl vorsah. Vor allem die Zwischenmahlzeit am Nachmittag war ihr heilig. Kein Nutella, sondern Milchbrötchen mit einer hauchdünnen Schicht Butter, die mit Zucker bestreut wurde. Und dann ein Apfel. »Die Silhouette«, betonte sie immer, »wenn du groß bist, Olli, wirst du eine schöne Silhouette haben.« Jetzt benutzen dieses Wort nur noch die Joghurtproduzenten, aber meine Großmutter wäre stolz auf mich: viel Obst, viel Gemüse, nur weißes Fleisch. Und auf Nutella verzichte ich nachmittags konsequent.
    Jetzt kann ich mir allerdings gar nicht viel leisten.
    Der Geldautomat in der Nähe vom Haus der Perücke mahnt mich stumm, Geld abzuheben, um vor Manuel nicht als bedürftig oder knauserig dazustehen. Großartige Erfindung, diese Geldautomaten! Ein Fall von entgegengesetzter Serendipität. Die Legende besagt, dass die Idee, Banken nach dem Vorbild von Snackautomaten mit Geldautomaten auszustatten, John Shepherd-Barron in der Badewanne kam. Dumm nur, dass ihn die glückliche Intuition nicht reich machte. Shepherd-Barron konnte Barclays von seiner Erfindung überzeugen, worauf die Bank tatsächlich den ersten automatischen Kassenschalter der Geschichte installierte, aber leider hatte er vergessen, seine Idee patentieren zu lassen.
    Unsensible würden ihn einen Pechvogel nennen. Dabei war er nur ein zerstreuter Mensch, der an meinem Kühlschrank einen Ehrenplatz unter den selbstlosen Idealisten einnimmt. Fast hätte ich Manuel an meinen Tisch gebeten, ihm gestanden, dass mein Geld knapp wird, mein Zeug als Pfand dagelassen, mich eingedenk des armen John zum Geldautomaten begeben und meine Rechnung beglichen, aber ich habe mich derart an den heimeligen Geruch dieses Orts gewöhnt, dass mich die Idee, ihn auch nur für wenige Minuten zu verlassen, vollkommen aus dem Gleichgewicht bringt.
    Dabei war ich bis gestern der aktive Typ und habe nicht einmal in den finstersten Tagen meinen Yogakurs geschwänzt. Wo ist nur die Olivia geblieben, die denkt, dass es für alles eine Lösung gibt und man einfach nur irgendwo anfangen muss, danach zu suchen?
    Draußen hat sich inzwischen die Dunkelheit herabgesenkt. Der Morgen geht in den Abend über, und ich habe nichts Besseres zu tun, als hierzubleiben und aus dem Fenster zu schauen.
    Einfach so.
    Jetzt regnet es. Man kann den Regen im Lichtkegel der Straßenlaterne sehen. Außerdem sehe ich eine Mauer aus aufgestauten Autos, einen Bus, der sich langsam heranschiebt und wie verrückt hupt, einen mit einem Regenschirm bewaffneten Mann, der im Slalom die Straße überquert, eine Frau, die ihm hilft, sicher auf der anderen Straßenseite zu landen, einen Jungen, der einem riesigen Hund hinterherhetzt, dick eingepackte

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