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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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gebracht, die unter dem Einfluß meines Gatten stehen. Die Narren. Sie dachten, daß sie ihn benutzen könnten, um mich zu besiegen und selbst an die Macht zu gelangen. Jetzt sind sie alle tot und erschla- gen, aber das, was sie in Gang gesetzt haben, geht immer noch weiter. Ich kämpfe nicht gegen die Weiße Rose, Chronist – obwohl ein Sieg über diese Idiotie sich vielleicht daraus ergeben könnte. Ich kämpfe gegen den Sklavenherrscher aus alter Zeit, gegen den Dominator. Und falls ich verliere, dann verliere ich auch die Welt.« Das schlaue Weib. Sie spielte nicht etwa die Rolle der Dame in Bedrängnis. Sie spielte die eines Gleichrangigen im Gespräch mit einem anderen, und das sicherte ihr schon eher meine Sympathie. Sie wußte, daß ich den Dominator so gut kannte wie kein anderer lebender Sterb- licher. Sie wußte auch, daß ich ihn weitaus stärker fürchtete als sie, denn wer fürchtet eine Frau schon mehr als einen Mann?
»Ich kenne dich, Chronist. Ich habe deine Seele aufgeschlagen und hineingesehen. Du kämpfst für mich, weil deine Kompanie eine Verpflichtung angenommen hat, die sie bis zum bitteren Ende honorieren wird – weil die wichtigsten Personen der Kompanie empfinden, daß in Beryll ihre Ehre befleckt wurde. Und das, obwohl die meisten von euch glauben, daß ihr im Dienste des Bösen steht.
Das Böse ist relativ, Chronist. Es läßt sich nicht mit einem Aushängeschild versehen. Man kann es nicht anfassen oder schmecken oder mit einem Schwert beschneiden. Das Böse hängt davon ab, wo du stehst und deinen anklagenden Finger hebst. Und jetzt steht ihr aufgrund eures Eides dem Dominator gegenüber. Für euch ist er dort, wo ihr euer Böses ansiedelt.« Sie schritt kurz auf und ab; vielleicht erwartete sie eine Antwort darauf. Ich gab ihr keine.
    Sie hatte meine Philosophie auf das Vortrefflichste zusammengefaßt.
»Dieses Böse hat dreimal versucht, dich zu töten, Feldarzt. Zweimal um dessentwillen, was du weißt, einmal um dessentwillen, was in deiner Zukunft liegt.« Das machte mich munter. »Meine Zukunft?« »Manchmal erhaschen die Unterworfenen einen Blick auf die Zukunft. Vielleicht ist diese Unterredung Teil dieser Visionen gewesen.« Jetzt hatte sie mich kalt erwischt. Ich saß verdutzt da und machte ein dummes Gesicht. Sie verließ das Zimmer für kurze Zeit und kam mit einem Pfeilköcher wieder, dessen Inhalt sie auf dem Tisch ausschüttete. Sie waren schwarz und schwer, hatten Spitzen aus Silber und waren mit fast unsichtbaren Buchstaben beschriftet. Während ich sie noch untersuchte, nahm sie mir meinen Bogen weg und ersetzte ihn durch einen, der bezüglich Gewicht und Zug fast identisch war. Er paßte wunderbar zu den Pfeilen. Er war zu wunderbar, um als Waffe ver- wendet zu werden.
Sie sagte zu mir: »Trage die hier immer bei dir. Immer.« »Werde ich sie verwenden müssen?«
»Das ist durchaus möglich. Morgen wird sich diese Angelegenheit auf die eine oder andere Weise entscheiden. Die Rebellen sind angeschlagen worden, haben aber immer noch gewalti- ge Truppenreserven übrig. Meine Strategie könnte keinen Erfolg haben. Falls ich versage, trägt mein Gatte den Sieg davon. Nicht die Rebellen, auch nicht die Weiße Rose, sondern der Dominator, diese grauenhafte Bestie, die ruhelos in ihrem Grab liegt…« Ich wich ihrem Blick aus, sah auf die Waffen, fragte mich, was ich nun sagen sollte, nicht hören sollte, was ich mit diesen Werkzeugen des Todes anfangen sollte, und ob ich es tun konnte, wenn die Zeit dafür angebrochen war. Sie kannte meine Gedanken. »Der Augenblick wird dir bewußt sein, wenn es soweit ist. Und du wirst das tun, was du für richtig hältst.« Jetzt sah ich auf, runzelte die Stirn, wünschte mir… Wünschte es mir trotzdem, obwohl ich wußte, was sie war. Vielleicht hatten meine schwachsinnigen Brüder ja recht. Sie lächelte, griff mit einer nur allzu vollkommenen Hand nach mir, umklammerte meine Finger…
Ich verlor meinen Sinn für Zeit und Raum, glaube ich. Ich erinnere mich nicht daran, daß ir- gend etwas passiert ist. Trotzdem franste mein Verstand eine Sekunde lang aus, und als er sich wieder glättete, hielt sie immer noch meine Hand ergriffen und sagte lächelnd: »Jetzt mußt du gehen, Soldat. Ruh dich aus.«
Wie ein Zombie stand ich auf und taumelte zur Tür. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß mir etwas entgangen war. Ich sah nicht mehr zurück. Ich konnte es auch nicht.
    Ich trat in die Nacht, die außerhalb des Turmes herrschte, und

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