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Im Dienst des Seelenfängers

Titel: Im Dienst des Seelenfängers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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Widerstand marschierten wir ein. Der Hauptmann begann Aufga- ben zu verteilen.
Zwischen fünf- und sechstausend Mann waren hier einquartiert. Ihre Offiziere hatten eine gewisse Disziplin wiedereingerichtet und sie dazu gebracht, ihre Waffen wieder in den Rüst- kammern abzugeben. Der Tradition gemäß vertrauten Berylls Hauptleute ihren Männern Waf- fen erst am Vorabend einer Schlacht an. Drei Züge gingen direkt in die Baracken und töteten die Männer in ihren Betten. Der ver- bliebene Zug ging am anderen Ende des Geländes in Blockadestellung. Bevor der Hauptmann sich zufrieden zeigte, war die Sonne aufgegangen. Wir zogen uns zu- rück und liefen unserem Begleitzug hinterher. Es gab keinen Mann unter uns, der seinen Ra- chedurst nicht gründlich gestillt hätte. Natürlich wurden wir nicht verfolgt. Niemand nahm unser Lager an der Jammersäule unter Belagerung. Und darum war es letztlich gegangen. Darum und um die Entladung der in meh- reren Jahren angestauten Wut.
    Elmo und ich standen auf der Spitze der Landzunge und sahen zu, wie die Nachmittagsson-
    ne um einen Sturm weit auf dem Meer spielte. Er war herangetänzelt und hatte unser Lager
mit einer kalten Dusche versehen, dann war er wieder auf das Wasser abgezogen. Der An- blick war schön, wenngleich auch nicht besonders farbenfroh. In letzter Zeit hatte Elmo nicht viel zu sagen gehabt. »Nagt was an dir, Elmo?« Der Sturm war vor das Licht gezogen, sodaß die See wie rostiges Eisen aussah. Ich fragte mich, ob die Kühle auch Beryll erreicht hatte.
»Kannst dir das sicher denken, Croaker.« »Kann ich wohl.« Der Papierturm. Die Gabelbaracken. Unser ehrloser Umgang mit unserer Verpflichtung. »Was glaubst du, wie es im Norden hin- ter dem Meer sein wird?«
»Meinst du, daß der schwarze Hexer kommt, eh?« »Er wird kommen, Elmo. Er hat bloß Schwierigkeiten, seine Marionetten im Takt tanzen zu lassen.« Wer hatte die nicht bei dem Versuch, diese irrsinnige Stadt im Zaum zu halten? »Hmmm.« Und: »Sieh mal, dort.«
Eine Walschule strebte an Felsen vor der Küste vorbei. Ich versuchte eine unbewegte Miene aufzusetzen, was mir mißlang. Die Tiere und ihr Tanz in diesem eisengrauen Meer waren prächtig.
Wir setzten uns und lehnten uns an den Leuchtturm. Es schien so, als ob wir eine Welt be- trachteten, die keines Menschen Tritt je befleckt hatte. Manchmal habe ich den Verdacht, daß sie ohne uns besser dran wäre.
»Da draußen ist ein Schiff«, sagte Elmo. Ich entdeckte es nicht, ehe sich das Feuer der Nachmittagssonne im Segel fing und es zu ei- nem orangefarbenen goldgesäumten Dreieck erblühen ließ, das sich im sanften Meeresgang hob und senkte. »Küstenkutter. Wahrscheinlich ein Zwanzigtonner.« »Ist das viel?«
»Für einen Kutter schon. Tiefwasserschiffe haben manchmal auch schon achtzig Tonnen.« Wankelmütig und mit stolpernden Schritten verstrich die Zeit. Wir sahen dem Schiff und den Walen zu. Ich versank in Tagträume. Zum hundertsten Mal versuchte ich, mir aus Händ- lergeschichten aus zweiter Hand ein Bild des neuen Landes auszumalen. Wahrscheinlich würden wir nach Opal übersetzen. Man sagte, daß Opal ein Spiegelbild von Beryll war, aber eine jüngere Stadt…
»Der Narr knallt noch in die Felsen.«
Ich wachte auf. Der Kutter befand sich gefährlich nahe am besagten Verhängnis. Er wech- selte um einen Strich den Kurs, entging der Katastrophe um hundert Meter und nahm den al- ten Kurs wieder ein.
»Das hat unseren Tag doch ein wenig belebt«, stellte ich fest.
    »Irgendwann wirst du mal etwas sagen, ohne sarkastisch zu werden, und dann rolle ich mich
zusammen und gehe ein, Croaker.«
»Es hält mich bei Verstand, mein Freund.« »Das steht zu bezweifeln, Croaker. Steht wirklich zu bezweifeln.« Ich starrte wieder dem Morgen ins Gesicht. Besser als zurückzuschauen. Aber das Morgen wollte die Maske nicht ablegen.
»Er dreht bei«, sagte Elmo.
»Was? Oh.« Der Kutter wiegte sich in der Dünung, kam kaum voran, als der Bug zum Strand unter unserem Lager herumschwenkte. »Willst du dem Hauptmann Bescheid sagen?« »Ich nehme mal an, er weiß es schon. Die Männer im Leuchtturm.« »Jep.«
»Halte trotzdem ein Auge offen, falls sich noch etwas ergibt.« Der Sturm wanderte jetzt nach Westen ab, verdeckte den Horizont und überzog das Meer mit seinem Schatten. Das kalte graue Meer. Plötzlich hatte ich Angst vor der Überfahrt.
    Der Kutter brachte Neuigkeiten von Tom-Toms und Einauges Schmugglerfreunden. Einauge wurde nach ihrem Erhalt noch

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