Im Dienst des Seelenfängers
trübsinniger und mürrischer, und seine Stimmung hatte zuvor schon einen historischen Tiefpunkt erreicht. Er verzichtete sogar auf seine Kabbeleien mit Goblin, die er zu einem zweiten Lebenszweck aufgebaut hatte. Tom-Toms Tod hatte ihn schwer getroffen und setzte ihm immer noch zu. Er wollte uns nicht sagen, was ihm seine Freunde berichtet hatten.
Der Hauptmann war nicht viel besser. Seine Laune war abscheulich. Ich glaube, daß er sich nach dem neuen Land sehnte und ihm zugleich davor graute. Die Verpflichtung bedeutet für die Kompanie eine mögliche Wiedergeburt unter Zurücklassung alter Sünden, dennoch hatte er ein ungutes Gefühl bei dem Dienst, den wir eingehen würden. Er hegte den Verdacht, daß der Syndikus recht gehabt hatte, was das Nordreich anging. Der Tag nach dem Besuch der Schmuggler bescherte uns kalte Brisen aus dem Norden. Am frühen Abend umschmeichelte Nebel die Küste der Landzunge. Kurz nach Einbruch der Dun- kelheit tauchte ein Boot aus diesem Nebel auf und setzte am Strand auf. Der Gesandte war eingetroffen.
Wir sammelten unsere Sachen zusammen und verabschiedeten uns vom Lagertroßvolk, das aus der Stadt zu uns gestoßen war. Unsere Reittiere und die Ausrüstung waren der Lohn für ihre Treue und ihre Freundschaft. Ich verbrachte eine traurige, sanfte Stunde mit einer Frau, der ich mehr bedeutete, als ich vermutet hatte. Wir vergossen keine Tränen und erzählten uns keine Lügen. Ich hinterließ ihr Erinnerungen und den Großteil meines lachhaften Vermögens.
Sie ließ mich mit einem Kloß im Hals und einem Gefühl des Verlustes zurück, das ich nicht
auszuloten vermochte.
»Komm schon, Croaker«, murmelte ich, als ich zum Strand hinunterkletterte. »Das hast du doch alles schon mal erlebt. Bevor wir in Opal ankommen, wirst du sie vergessen haben.« Ein halbes Dutzend Boote waren auf den Strand gezogen worden. Wenn sie sich füllten, stießen Nordsoldaten sie wieder in die Brandung. Ruderer legten sich in die Riemen, und in- nerhalb von Sekunden waren sie im Nebel verschwunden, Leere Boote kamen heran. Jedes zweite Boot wurde mit Ausrüstung und Besitztümern beladen. Ein Seemann, der die Sprache von Beryll beherrschte, sagte mir, daß an Bord des schwarzen Schiffes reichlich Platz sei. Der Gesandte hatte seine Truppen in Beryll gelassen; sie dienten als Wachen für den neuen Marionettensyndikus, einen Angehörigen der Roten Partei, der ent- fernt mit dem Mann verwandt war, in dessen Diensten wir gestanden hatten. »Ich hoffe, daß sie weniger Ärger haben als wir«, sagte ich und zog mich zurück, um finste- ren Gedanken nachzuhängen.
Der Gesandte tauschte seine Männer gegen uns ein. Ich hegte den Verdacht, daß wir benutzt wurden, daß uns etwas Schlimmeres bevorstand, als wir uns vorzustellen vermochten. Während des Wartens hörte ich mehrere Male ein fernes Heulen. Zuerst dachte ich, daß es das Lied der Säule sei. Aber die Luft regte sich nicht. Als es wieder erklang, fiel aller Zweifel von mir ab. Gänsehaut überzog mich.
Der Quartiersmeister, der Hauptmann, der Leutnant, Schweiger, Goblin, Einauge und ich warteten bis zum letzten Boot. »Ich komme nicht mit«, verkündete Einauge, als ein Maat uns an Bord winkte.
»Rein mit dir«, sagte der Hauptmann zu ihm. Seine Stimme war freundlich. Dann wird er gefährlich.
»Ich trete aus. Gehe wieder nach Süden. War lange genug fort, sie sollten mich eigentlich vergessen haben.«
Der Hauptmann stieß mit dem Finger auf den Leutnant, Schweiger, Goblin und mich, ruckte mit dem Daumen in Richtung Boot. Einauge brüllte los. »Ich werde euch alle in Strauße ver- wandeln…« Schweigers Hand legte sich über seinen Mund. Wir rannten mit ihm zum Boot. Er zappelte wie eine Schlange in der Feuerstelle. »Du bleibst bei deiner Familie«, sagte der Hauptmann leise. »Auf drei«, krähte Goblin fröhlich und zählte dann rasch. Der kleine schwarze Mann segelte in hohem Bogen und sich windend durch die Luft. Wutschnaubend tauchte er hinter dem Schanzkleid wieder auf und besprühte uns mit Spucke. Wir lachten, als wir ihn wieder eini- germaßen munter sahen. Goblin führte den Sturm an, der ihn an einer Planke festnagelte. Matrosen stießen unser Boot in die Brandung. Sobald die Ruder in das Wasser tauchten, er- schlaffte Einauge. Er sah aus wie ein Mann, der zum Galgen geführt wird. Die Galeere schälte sich aus dem Nebel, ein aufragender undeutlicher Umriß, der etwas dunkler war als die ihn umgebende Finsternis. Ich hörte die Stimmen der
Weitere Kostenlose Bücher