Im Dienste der Comtesse
lassen.
Er verließ das Palais Royal und machte sich auf den Weg in die Rue Saint Honoré. Sein Ziel war das Geschäft der marchande des modes , Clothilde Moreau. Clothildes Laden war einer der elegantesten in einer sehr noblen Straße. Hier erhielt man alle möglichen prachtvollen Accessoires, die dem Geschmack und den Ansprüchen der feinen Damen gerecht wurden. Pierce war leicht schwindelig geworden angesichts der großen Auswahl an Schleifenbändern, Blumen, Federn, Flore und Spitzen, die Clothilde anzubieten hatte. Während seines ersten Besuchs bei ihr hatte er mitbekommen, wie sie ihre Kunden beriet und manchmal auch dazu überredete, mal einen ganz neuen Stil auszuprobieren oder mit einem ungewohnten Zierwerk zu experimentieren.
Clothilde war aber auch Pierces Kontaktperson zu England. Sie kannte seinen wirklichen Namen nicht und hatte auch keine Ahnung, wer die Hintermänner all der anderen Leute waren, die über sie miteinander kommunizierten. Aber, so teilte sie Pierce unbeschwert mit, sie war eben eine praktisch veranlagte Geschäftsfrau, die gern Gewinne erzielte. Und sie wurde durchaus großzügig bezahlt für ihre geheimen Aktivitäten. Pierce vermutete, dass sie auch Intrigen nicht abgeneigt war, aber das behielt er für sich.
„Ach, Monsieur, Sie sind wieder da.“ Sie kam auf ihn zu, als er den Laden betrat. „Hatten Sie Erfolg mit Ihrem Einkauf? Gefiel der Dame, was Sie Ihr anzubieten hatten? Oh, Sie haben ihr Blumen gekauft?“ Sie schaute auf die Nelken in seiner Hand. Verglichen mit all dem überwältigenden Putz in den Auslagen wirkten die Blumen ziemlich armselig. Pierce war nicht überrascht, dass Clothilde sie skeptisch betrachtete.
„Ich glaube, sie war ganz entzückt über das Geschenk“, erwiderte er lächelnd. „Ihre Beratung war wirklich höchst hilfreich. Bitte nehmen Sie dies als kleines – ganz kleines – Zeichen meiner Dankbarkeit.“ Mit einer fast anmutigen Geste überreichte er ihr die Nelken.
„Vielen Dank, Monsieur! Ich freue mich, dass ich Ihnen behilflich sein konnte. Kann ich vielleicht noch etwas für Sie tun? Wie wäre es mit ein paar Seidenbändern oder vielleicht einem Duftwasser für ihr Haar?“
„Das geht genau in die Richtung, an die ich dachte“, antwortete er und sah zu einem prächtigen, mit Federn verzierten Hut hinüber.
„Sie wollen ihr einen Hut schenken?“, fragte Clothilde, die seinem Blick gefolgt war.
„Nein, Mademoiselle. Ich möchte lernen, ihr das Haar zu frisieren.“
Donnerstagmittag, 9. Juli 1789
„Danke, Suzanne, Sie brauchen nicht zu bleiben, während Pierre mich frisiert“, teilte Mélusine ihrer Zofe mit.
Da Monsieur Barrière ihr neues Personal für sie ausgesucht hatte, kannte sie keinen der Bediensteten gut. Suzanne hatte bislang kaum ein Wort gesprochen. Zwar hatte Mélusine keine offen gezeigte Feindseligkeit an ihr wahrgenommen, aber ihr war nicht entgangen, dass die Zofe sie ständig verstohlen anschaute, wenn sie zusammen waren. Sie hatte keine Lust, unter so genauer Beobachtung zu stehen, wenn Pierre sie das erste Mal frisierte.
Mélusine saß ganz still da und verschränkte angespannt die Hände unter ihrem Frisiermantel, als Pierre sich ihr näherte. Obwohl sie sich alle Mühe gab, gelassen zu wirken, wurde sie eher noch verspannter, als er das Band löste, das sie sich nach dem Aufstehen ins Haar geflochten hatte. Er zog es langsam heraus und ließ es auf den Frisiertisch fallen. Dann schob er die Hände unter die Fülle ihres Haars, und sie schrak zusammen, als seine Fingerspitzen ihren Nacken streiften. Unwillkürlich hielt sie den Atem an. Es war das erste Mal seit Jean-Baptiste, dass ein Mann wieder ihr Haar berührte. Das erste Mal, dass ein Mann sie überhaupt berührte nach Bertiers Tod.
Sie wagte es nicht, tief durchzuatmen, weil er so dicht hinter ihr stand, dass er sofort bemerkt hätte, wie nervös sie war. Sie hielt den Kopf gesenkt. Aus den Augenwinkeln konnte sie Pierre im Spiegel sehen, aber sie wollte es lieber nicht riskieren, dass ihre Blicke sich trafen.
Mélusine hatte die zwei Stunden oder mehr, die es dauern konnte, eine ordentliche Frisur zustande zu bringen, schon immer nur mit Mühe ertragen. Manche verheirateten Damen scharten eine Gruppe von Bewunderern zur Unterhaltung in ihrem Boudoir um sich, während sie toilette machten. Zu Mélusines großer Erleichterung hatten immer nur wenige Herren so viel Interesse an ihr gezeigt, um ihr bei derartigen Gelegenheiten ihre Aufwartung zu
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