Im Dienste der Comtesse
sprechen, ganz gleich, wie vornehm ihr verstorbener Mann auch gewesen war.
Das überraschte Pierce nicht. De Crosne war unter anderem dafür verantwortlich, in Paris für Ordnung zu sorgen. Das Palais Royal fiel zwar nicht in seine Zuständigkeit, da es einem Mitglied der königlichen Familie gehörte, aber bestimmt war de Crosne nicht entgangen, dass es in einem Großteil des Volkes gärte und ein Aufstand in der Luft lag.
„Ich danke Ihnen“, antwortete Mélusine. „Man hat mir Ihre Beileidsworte überbracht. Ich bedauere, aber ich war seinerzeit zu erschüttert, um Sie empfangen zu können. Als ich dann damals Paris verließ, war noch nicht bekannt, wer für seinen Tod verantwortlich war“, fuhr sie etwas rascher fort. Pierce vermutete, dass sie die nur schlecht verhohlene Ungeduld des Lieutenant bemerkt hatte. „Haben sich inzwischen Neuigkeiten diesbezüglich ergeben?“
„Mir ist nichts bekannt.“ De Crosne blickte zur Tür.
„Ich würde gern mit dem Inspektor sprechen, der die Leiche des Comte zu uns nach Hause brachte“, bat Mélusine. „Wo kann ich ihn finden?“
De Crosne runzelte leicht die Stirn bei dieser Frage. „Einer meiner Sekretäre wird sich mit Ihnen weiterunterhalten“, verkündete er. „Doch nun muss ich Sie leider bitten, solange in einem anderen Zimmer zu warten.“
„Inspektor Trouard ist tot.“
„Tot?“ Mélusine starrte den Sekretär des Lieutenant ungläubig an. „Wie ist er gestorben, Monsieur? Und wann?“
„Vor ein paar Wochen, als er die Unruhen einzudämmen versuchte“, gab der Sekretär Auskunft. Er schien sich womöglich noch belästigter zu fühlen als de Crosne.
„Sie wissen nicht, wer ihn umgebracht hat?“
„Madame, in vielen Teilen der Stadt ist es zu Gewaltausbrüchen gekommen“, erwiderte der Sekretär. „Inspektor Trouards Leiche wurde in einer Gasse gefunden, ganz in der Nähe eines überfallenen Zollpostens. Wer nun genau dafür verantwortlich war, kann ich Ihnen nicht sagen.“
„Haben bei den Aufständen schon viele Polizisten ihr Leben gelassen?“, wollte Pierce wissen. Er äußerte sich zum ersten Mal, und sowohl der Sekretär als auch Mélusine sahen ihn überrascht an.
„Nein.“
„Vielen Dank für Ihre Hilfe.“ Mélusine erhob sich. „Ich möchte Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.“
Pierce folgte ihr aus dem Polizeipräsidium. Er hatte nicht damit gerechnet, besonders viel von Lieutenant de Crosne in Erfahrung zu bringen, doch die Neuigkeit vom Tod des Inspektors warf ein ganz neues Licht auf die Angelegenheit.
„Wie kann es sein, dass er tot ist?“, fragte Mélusine, als sie wieder auf der Straße waren. „Und das erst seit wenigen Wochen? Wäre ich früher nach Paris zurückgekehrt, hätte ich noch mit ihm sprechen können.“
„Ja.“
Sie ging noch ein paar Schritte weiter und blieb dann plötzlich stehen. „Glauben Sie, jemand wollte sichergehen, dass er nichts über Bertiers Tod sagen konnte?“
„Oder dass er mehr darüber sagen konnte“, bemerkte Pierce. „Möglich wäre es.“
„Was meinen Sie damit?“
„Ich hatte auf der Gesellschaft neulich den Eindruck, dass nicht jeder von dem von Madame de Foix erwähnten Gerücht gehört hatte. Vielleicht ist es noch nicht sehr weit verbreitet.“
„Hoffentlich“, sagte sie inbrünstig.
„Doch jemand muss es in die Welt gesetzt haben“, fuhr Pierce fort. „Sie wollten den Inspektor aufsuchen, um zu beweisen, dass nichts Wahres daran ist – aber vielleicht war er selbst der Urheber.“
Mélusine sah ihn eine Weile an, schließlich weiteten sich ihre Augen erschrocken. „In dem Fall muss die Version von Bertiers Tod wahr sein!“
Eine Kutsche hielt auf sie zu, aber Mélusine war so abgelenkt, dass sie es nicht bemerkte. Pierce griff nach ihrem Ellenbogen und zog sie zur Seite. Obwohl Sommer war, rann ein Strom Schmutzwasser in der Straßenmitte. Als die Kutschenräder über das überspülte Kopfsteinpflaster holperten, spritzte Schlamm auf Mélusines Röcke. Ganz in der Nähe rief ein Straßenhändler: „Gute Schreibtinte! Gute Schreibtinte!“ Eine Frau mit einem Korb voller Besen näherte sich ihnen. Mélusine schien ihre Umgebung gar nicht wahrzunehmen.
„Madame, die Straße ist nicht der richtige Ort für dieses Gespräch“, bemerkte Pierce sanft.
„Nein.“ Ohne ein weiteres Wort machte sie sich auf den Rückweg zur Place Vendôme. Sie schritt zügig aus und hielt den Kopf gesenkt, als wäre sie tief in Gedanken versunken. Ein
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