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Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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ihn kein Wort mehr sagen hören. Zu dem Zeitpunkt war sie zu schockiert gewesen, um darüber nachzudenken, was dieses Schweigen bedeuten mochte. Doch jetzt hielt sie es für wahrscheinlich, dass er über Bertiers Vorschlag genauso entsetzt war wie sie.
    Irgendjemand mit Beziehungen und Einfluss hatte ihn in die Bastille geschickt. Sie musste nun jemanden mit ähnlich großem Einfluss finden, um ihn wieder frei zu bekommen. Jemand, der Zutritt in Versailles hatte. Doch einflussreiche Männer forderten stets eine Gegenleistung für einen erwiesenen Gefallen. Sie hatte nie zu diesen Kreisen gehört und besaß nichts so Wertvolles, das sie einem solchen Mann hätte anbieten können. Es wird schwerer sein, Saint-André aus der Bastille zu holen, als das Rätsel um Bertiers Tod zu lösen, dachte sie grimmig.
    Sie war so beschäftigt mit Saint-Andrés Problem und so gewöhnt an die Geräuschkulisse in Paris, dass ihr zunächst die Veränderung der Lautstärke auf der Straße gar nicht auffiel. Aber irgendwann drang der Lärm unten auf dem Platz doch bis zu ihr durch. Sie griff nach einem Tuch, wischte sich daran die Hände ab und trat ans Fenster, um nachzusehen, was geschehen war. Die Place Vendôme war auf allen vier Seiten fast durchgehend von Häusern umstanden, nur über eine einzige Straße gelangte man auf den Platz oder von ihm fort. Weil es keine Durchfahrtsstraße gab, war es hier meist ruhig und friedlich. Doch nun wimmelte es von aufgebrachten Menschen.
    Mélusine starrte hinunter auf den Pöbel und vergaß völlig das Tuch in ihrer Hand. Selbst von hier oben konnte sie die Aufgebrachtheit und die mögliche Gefahr spüren, die in der Luft lagen. Einige Menschen trugen Waffen, Rufe hallten zu ihr herauf.
    „ Vive la Nation! “
    „ Es lebe der Dritte Stand! “
    Erschrocken beobachtete sie, wie die Kavallerie sich Zugang zum Platz zu erzwingen versuchte. Die Raserei des Pöbels nahm zu. Die berittenen Soldaten hatten die Säbel gezückt, und Mélusine hielt den Atem an. Zu ihrer Erleichterung stellte sie jedoch fest, dass die Männer nicht die Schneide, sondern nur die flache Seite der Klinge benutzen, um sich einen Weg zu bahnen. Die Menschenmassen standen allerdings so dicht gedrängt, dass die Pferde sich nicht bewegen konnten. Auf einmal begann die Menge, die eingekesselte Kavallerie mit Gegenständen zu bewerfen.
    Eilige Schritte ertönten draußen auf dem Flur. Als die Tür aufgerissen wurde, fuhr Mélusine mit klopfendem Herzen herum. Sie hatte schon befürchtet, dass der Pöbel bis zu ihrem Atelier vorgedrungen war, und atmete erleichtert bei Pierres Anblick auf.
    „Gehen Sie weg vom Fenster!“ Hastig durchquerte er den Raum und zog sie zur Seite.
    „Was ist los? Was geht da vor?“ Sie packte ihm am Oberarm und spürte die straff angespannten Muskeln unter dem Stoff. Statt seiner Livree trug er denselben schlecht sitzenden Mantel, den er am ersten Tag angehabt hatte; eine Perücke hatte er auch nicht aufgesetzt. Trotz der schäbigen Bekleidung wirkte er kraftvoll und wachsam. Sie sah ihn an, immer noch entsetzt, was sie eben auf dem Platz gesehen hatte, und fasziniert von der kaum verhohlenen männlichen Tatkraft, die er ausstrahlte.
    Er betrachtete sie kurz, als wollte er sich vergewissern, dass ihr nichts fehlte, und trat danach ans Fenster, um nach unten zu sehen. Sie wollte sich neben ihn stellen, aber er schob sie sofort wieder hinter sich.
    „Warum sind da Blätter auf Ihrem Mantel?“ Es fiel ihr erst jetzt auf.
    „Weil ich nach Hause kommen wollte, ohne vom Pöbel angegriffen zu werden“, antwortete er knapp.
    „Ich will auch etwas sehen!“ Sie versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen. „Ich verstehe das nicht! Warum sollen Kastanienblätter verhindern, dass man Sie angreift?“
    Er hielt sie vom Fenster fern. „Nur weil Sie nicht mitten im Getümmel stecken, heißt das noch lange nicht, dass Sie nicht von einer Kugel getroffen werden können.“
    „Wir sind doch so hoch oben …“
    „Ein Querschläger aus einer Muskete …“
    „Ich kann nicht viele Musketen entdecken.“
    „Das kommt noch“, erwiderte er grimmig.„Die Waffenschmieden werden bereits geplündert. Da, die Kavallerie zieht sich zurück!“ Er ließ sie kurz aus dem Fenster schauen, hielt sie dabei aber an den Armen fest, damit er sie beim kleinsten Anzeichen von Gefahr zur Seite stoßen konnte.
    Mélusine sah hinunter. Die Kavallerie zog sich tatsächlich zur Place Louis XV. zurück, die Menge folgte ihr. Schon

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