Im Dienste der Comtesse
über die Lippen brachte. Ein unbändiger Zorn flammte in ihm auf, der von Augenblick zu Augenblick stärker wurde. „Ihr Mann wollte, dass Saint-André Sie in sein Bett lockte und schwängerte“, fasste er mühsam beherrscht zusammen.
Mélusine hatte auf ihre Hände gestarrt, doch nun hob sie den Kopf und nickte ruckartig. „Saint-André sagte: ‚Was ist, wenn es ein Mädchen wird?‘ Daraufhin meinte Bertier, dann müsste er es eben wieder tun, bis es ein Junge sei. Wieder und wieder. Bertier klang so grausam. Höhnisch. Ich glaube, er hatte getrunken. Ich hatte ihn noch nie so geschmacklos erlebt.“
Pierce erhob sich von seinem Stuhl. Seine Bewegungen waren ebenso beherrscht wie vorhin seine Stimme. Wie schon einmal ging er zum Fenster und wandte ihr den Rücken zu. Er geriet in Zorn, als er erfahren hatte, wie ihr Vater mit ihr umgegangen war. Aber jetzt schien sich die Wut wie ein roter Nebel über sein Blickfeld zu senken, sodass er den Platz draußen kaum noch erkennen konnte. Mélusine sagte etwas zu ihm, aber er war zu aufgewühlt, um sie zu verstehen. Kurze Zeit später sprach sie erneut, und dieses Mal drang ihre Stimme bis zu ihm vor.
„Sind Sie böse auf mich?“
Ihre Frage holte ihn schlagartig in die Gegenwart zurück. Sein Herz klopfte immer noch vor Anstrengung, seine Wut im Zaum zu halten. Doch plötzlich war das Bedürfnis, ihr Halt zu geben, ungleich größer. Er fuhr auf dem Absatz zu ihr herum. „Großer Gott, nein, Madame! Wie kommen Sie nur darauf?“
Sie lächelte zaghaft. „Sie glauben also nicht, ich hätte dem Vorfall zu viel Gewicht beigemessen? Mein Vater würde bestimmt …“
Pierce unterdrückte einen Fluch und setzte sich rasch wieder zu ihr. „Haben die beiden gemerkt, dass Sie alles mitangehört hatten?“
„Das glaube ich nicht. Als ich begriff, dass sie über mich sprachen, als ich hörte, was Bertier sagte, konnte ich mich zuerst überhaupt nicht bewegen. Dabei hätte ich ihn gleich da, an Ort und Stelle, zur Rede stellen müssen. Hätte einfach hineingehen und Bertier und Saint-André mit ihrem schmutzigen Plan konfrontieren sollen. Ich bereue immer noch, dass ich nicht den Mut dazu hatte“, flüsterte sie. „Niemand wird mich mehr benutzen. Niemand, nie wieder.“
„Es lag nicht daran, dass Ihnen der Mut fehlte“, widersprach Pierce.„Sie waren zu entsetzt, um klar denken zu können. Abgesehen davon wäre es auch nicht klug gewesen, den beiden Männern entgegenzutreten, die gerade dieses Komplott gegen Sie schmiedeten, vor allem nicht, wenn sie schon etwas getrunken hatten. Es war sehr vernünftig von Ihnen, dass Sie sich nicht bemerkbar gemacht haben.“
Mélusine starrte ihn an, dann schlug sie plötzlich die Hände vor den Mund. „Sie glauben, sie hätten … sofort damit angefangen, wenn ich hineingegangen wäre?“
Er verfluchte sich selbst dafür, dass er für das Grauen in ihrem Blick verantwortlich war. Statt ihre Qualen noch zu vergrößern, hätte er sie trösten müssen, aber das fiel ihm schwer, weil er immer noch gegen seine eigene Aufgebrachtheit anzukämpfen hatte. „Nicht.“ Sanft nahm er ihre Hände und zog sie von ihrem Gesicht fort. „Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht noch unglücklicher machen. Sie sollten doch nur wissen, dass ich es Ihnen nicht verübele, den beiden nicht noch in derselben Nacht gegenübergetreten zu sein.“
Sie sah ihm in die Augen und nickte schließlich. „Glauben Sie, Saint-André weiß, dass ich mitgehört habe?“
„Das würde ein paar seiner Bemerkungen erklären.“ Er ließ ihre Handgelenke los und legte die eigenen Hände auf seine Knie. Er musste unbedingt Ordnung in seine Gedanken und Empfindungen bringen, aber irgendwie fiel ihm das viel schwerer als sonst.
„Saint-André meinte heute, er würde niemals etwas tun, was mir Schaden zufügt oder mich dazu bringt, Schlechtes von ihm zu denken. Natürlich kann er aber auch geglaubt haben, es würde mir Vergnügen bereiten, von ihm verführt zu werden, und dass ich deswegen nicht schlecht von ihm denke“, sagte sie verbittert.
„Möglich.“ Ihr Tonfall trug mit dazu bei, dass seine Anspannung etwas nachließ. Er rief sich in Erinnerung, dass sie ihm von Dingen erzählte, die sich schon vor acht Monaten zugetragen hatten, nicht erst gestern. Sie war nicht plötzlich verwundbarer als die Frau, mit der er die letzten Tage verbracht hatte. „Hatten Sie ihn in Verdacht, der Mörder Ihres Mannes zu sein?“
„Nein.“ Mélusine hob erstaunt
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