Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Dienste der Comtesse

Im Dienste der Comtesse

Titel: Im Dienste der Comtesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
Vom Netzwerk:
dürfen keine Geheimnisse mit Saint-André haben“, entfuhr es ihr unvermittelt.
    „Verzeihung?“ Pierre sah sie an und zog fragend eine Augenbraue hoch.
    „Machen Sie nicht so ein hochmütiges Gesicht“, sagte sie ungeduldig. „Natürlich können Sie über … darüber diskutieren, welche Westen gerade in Mode sind oder worüber sich Männer sonst so austauschen …“
    „Nicht über Westen“, warf Pierre ein. „Ich kann zwar nicht für Saint-André sprechen, aber der einzige Mann, mit dem ich jemals über Westen rede, ist mein …“ Er verstummte. Er besaß so viel Selbstbeherrschung, nicht zu fluchen, aber Mélusine sah seinen Augenausdruck.
    „Wer – Ihr Schneider? Ihr Diener?“ Ratlos starrte sie ihn an und versuchte sich einen Reim auf all diese Mosaiksteinchen zu machen, die sie nicht zusammensetzen konnte.
    „Madame, bei unserer ersten Begegnung ist Ihnen mein Gehrock äußerst unangenehm aufgefallen. Sie glauben doch wohl nicht, dass ein Schneider mit nur etwas Selbstachtung einen Kunden so auf die Straße schicken würde.“
    „Hören Sie auf!“, rief Mélusine. Ihr Pferd brach vor Schreck seitlich aus, und Pierre beugte sich sofort zu ihr, um nach dem Zügel zu greifen. „Lassen Sie los!“, fuhr sie ihn an. „Ich werde selbst mit meinem Pferd fertig. Wenn Sie mir nicht die Wahrheit sagen wollen, dann sagen Sie am besten gar nichts.“
    Sie schluckte. Das Gefühl, dass ihr wieder einmal die Kontrolle über ihr Leben entglitt, machte sie gleichzeitig wütend und ängstlich. Tränen schossen ihr in die Augen, und als sie die ersten auf ihren Wangen spürte, wandte sie das Gesicht ab. Er sollte nicht sehen, dass sie weinte.
    Schweigend ritten sie eine Weile nebeneinanderher. Mélusine blickte weiterhin zur Seite und wischte sich verstohlen mit dem Handrücken übers Gesicht. Schließlich traute sie sich zu, wieder mit ihm sprechen zu können. „Sie dürfen keine heimlichen Gespräche mit Saint-André über meine Angelegenheiten führen und keine Entscheidungen fällen, ohne sie mit mir besprochen zu haben. Unternehmen Sie nichts gegen Séraphin, ohne mich vorher gefragt zu haben.“
    „Madame …“
    „Haben Sie eine Ahnung, wie es ist, durchs Leben zu gehen, ohne zu wissen, was Ihnen widerfahren wird, bis jemand anderes Ihnen das mitteilt? Du wirst morgen ins Konvent gehen. Du kommst heute nach Hause zurück. Du wirst den Comte de Gilocourt heiraten. Wer ist das denn? Sei nicht so frech, Mädchen! Wir sind bei Hof eingeladen. Wir fahren nach Paris. Du wirst mit …“ Sie konnte die Worte nicht aussprechen, die sie Bertier in jener Nacht zu Saint-André hatte sagen hören. Er hatte sie nicht direkt ihr gegenüber geäußert, aber das spielte keine Rolle. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte sie in dieser Sache genauso wenig ein Mitspracherecht gehabt wie bei jedem anderen wichtigen Ereignis in ihrem Leben.
    Beide Pferde waren stehen geblieben. Mélusines Augen standen so voller Tränen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie Pierre abgesessen war und sich neben sie gestellt hatte. „Steigen Sie ab.“
    Obwohl seine Stimme ganz sanft klang, ärgerte sie sich darüber, schon wieder einen Befehl entgegennehmen zu müssen. Am liebsten hätte sie ihm einen Tritt in die Rippen versetzt.
    Er schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn er legte die Hand behutsam an ihr Schienbein. „Nicht. Bitte, sitzen Sie ab.“
    Sie löste die Hand vom Sattelknauf und rutschte hinunter in Pierres Arme. Als sie sich von ihm abstemmen wollte, hielt er sie fest.
    „Wovor haben Sie Angst?“, fragte er.
    „Ich habe keine Angst, ich bin …“
    „Wütend. Ja, das weiß ich. Aber ich habe eben auch pure Angst in Ihren Augen entdeckt. Sagen Sir mir, wovor.“
    Sie packte das Revers seines Gehrocks. „Wenn Sie nicht so ein unaufrichtiger, unfolgsamer Mensch wären, brauchte ich auch keine Furcht zu haben.“
    Er zog sie mit einem Arm an seine Brust, mit dem anderen streichelte er ihren Rücken. Zuerst machte sie sich ganz steif, doch schließlich entspannte sie sich zunehmend und lauschte auf das, was er ihr ohne Worte sagte. Bertier hatte sie nie auf diese Art berührt, und sie konnte sich nicht erinnern, je von ihrem Vater umarmt worden zu sein.
    Es dauerte eine Weile, bis sie den Mut fand, den Kopf zu heben und Pierre in die Augen zu sehen. Sie standen unter einem Baum im lichten Schatten, und seine Miene wirkte besorgt. Es gab so vieles, das sie ihn fragen wollte, aber nur eines davon war wirklich

Weitere Kostenlose Bücher