Im Dienste der Comtesse
konstatierte Saint-André. „Sie wollen nicht, dass Séraphin stirbt, solange Sie sich nicht alle belastenden Unterlagen aus seinem Besitz zurückgeholt haben, nicht wahr?“
„Glauben Sie, man könnte ihn mit Drohungen zum Reden bringen?“
Saint-André rieb sich das Kinn. „Nun, Séraphin ist zu arrogant, um sich leicht einschüchtern zu lassen. Und ich bezweifle, dass einer von uns die Nerven für eine Folterung hat.“
„Nicht einmal Sie, nach den letzten acht Monaten?“
„Ich möchte ihn gern schwitzen sehen“, erwiderte Saint-André. „Ich würde ihn gern zum Schwitzen bringen – und dabei wissen, dass er dieses Mal nicht einem doppelt so alten und von Nachtblindheit geschlagenen Mann gegenübersteht. Ich möchte, dass er den Tod aller seiner Hoffnungen von meiner Schwertspitze ablesen kann.“
„Nicht nur träge, sondern auch poetisch“, bemerkte Pierre. „Nachtblindheit?“
„Bertiers Augenlicht war bei unzureichender Beleuchtung schlechter geworden“, berichtete Saint-André grimmig. „Ich gehe nicht so weit zu behaupten, dass er das Duell bei Tageslicht auf jeden Fall gewonnen hätte – aber bei Laternenschein … Ich fahre morgen nach Versailles“, fuhr er nach einer Weile fort. „Ich kann das Einzige tun, was Sie nicht tun können, ohne alles zu riskieren. Ich kann ihn offen aufsuchen und ihn direkt zur Rede stellen.“
„Wie groß ist die Gefahr, dass er versuchen wird, Sie wieder ins Gefängnis zu bringen?“, wandte Pierre ein. „Mélusine wäre darüber nicht gerade sehr glücklich.“
„Ich auch nicht! Aber solange er nicht argwöhnt, dass ich weiß, wer hinter meiner Verhaftung steckt, dürfte meine Flucht für ihn ziemlich unwichtig sein. Schließlich kann Mélusine Bertier jetzt definitiv keinen Erben mehr schenken.“
„Fordern Sie ihn nicht heraus“, warnte Pierre ihn unvermittelt.
„Glauben Sie, ich wäre bei seinem Anblick so außer mir vor Zorn, dass ich mich nicht mehr beherrschen kann?“, fragte Saint-André spöttisch.
„Bei mir wäre das durchaus möglich.“
„Aber Sie sind ja auch nur zur Hälfte ein träger Franzose, die andere Hälfte ist ein aufbrausender Engländer“, erwiderte Saint-André. „Wann werden Sie es Mélusine sagen?“
„Dass ich zur Hälfte ein aufbrausender Engländer bin?“
„Weshalb Sie hier sind. Warum Sie wieder fortgehen. Ich habe schon gemerkt, Sie haben alles so eingerichtet, dass ich da bin, um sie zu beschützen, wenn Sie fort sind – aber ein Ehemann wäre eine wesentlich wirkungsvollere und vor allem weniger skandalträchtige Lösung.“
„Sie will nicht wieder heiraten“, teilte Pierre ihm knapp mit.
„Wirklich nicht?“
„Und ich auch nicht.“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie schon einmal verheiratet waren“, sagte Saint-André.
„Sie starb fünf Monate nach der Hochzeit an den Pocken. Damals hatte ich noch nicht geerbt.“ Pierre wartete angespannt, doch zu seiner Erleichterung ging Saint-André nicht weiter auf das Thema ein.
„Nun“, meinte der Marquis. „Wir haben noch viel zu erledigen, bis Sie nach England zurückkehren können.“
12. KAPITEL
Donnerstagmorgen, 16. Juli 1789
„Wir müssen zu Séraphins Landsitz“, verkündete Mélusine am anderen Morgen beim Frühstück. „Das könnten wir heute in Angriff nehmen. Am besten ist es wohl, dorthin zu reiten. Georges hat mir erzählt, dass sie die Kutschen und Gespanne anhalten, die in die Stadt fahren oder sie verlassen.“
„Warum reiten wir dorthin?“, fragte Pierre scheinbar harmlos, aber sie ließ sich nicht täuschen. Sie wusste, er stand im Begriff, ihr das zu verbieten.
„Um mit Thérèse Petit zu sprechen“, erwiderte sie. „Man hat uns gesagt, sie sei nicht im Hôtel de Gilocourt, weil sie ihre kranke Schwester besucht, aber ich glaube, dass das nicht stimmt. Als die Gerüchte aufkamen, hat Séraphin sie bestimmt zum Château geschickt und den Bediensteten eingebläut, die Geschichte mit der kranken Schwester zu verbreiten. Sie war früher seine Amme, ehe sie Haushälterin wurde.“
„Sie wollen Sie nach dem Zustand von Bertiers Leiche fragen“, vermutete Pierre.
„Ja. Wir brauchen Beweise, die wir dem Polizeipräsidenten vorlegen können.“
Saint-André warf Pierre einen vielsagenden Blick zu und meinte: „Ich hoffe, Sie entschuldigen, dass ich Sie nicht begleite. Ich möchte an diesem Tag eine andere Spur verfolgen.“
„Unternehmen Sie nichts Leichtsinniges“, bat Mélusine ängstlich.
„Das würde mir
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