Im Dienste Der Koenigin
Veränderung am Hof wahr und spricht darüber.«
Céleste und die altgediente Hofdame, Madame de Motteville, saßen in einer ruhigen Minute im Salon beisammen und besprachen die neuesten Entwicklungen.
»Der Knabe ist erstaunt, welch ein glanzvolles Leben auf einmal in den düsteren Mauern des unheimlichen, alten Bourbonenpalastes Einzug gehalten hat«, bemerkte Céleste. »Leider sind auch Unsitten eingerissen. Das Kind ist schon mehr als einmal, wenn es durch die Gänge des Schlosses lief, Zeuge von kopulierenden Paaren geworden, die sich auf einem Sofa in irgendeinem Alkoven ihrer ungezügelten Leidenschaft hingeben. Wenn sein Vater, Ludwig XIII., das noch sehen könnte, würde er rasen vor unbändigem Zorn.«
»Oh ja, Seine Majestät war in der Tat außerordentlich prüde, was die Zurschaustellung von Intimitäten zwischen Mann und Frau anbelangte«, erwiderte Madame de Motteville, wobei sie die Worte »Mann« und »Frau« besonders betonte.
Céleste musste lachen. Jeder am Hof erinnerte sich noch gut an die Ungeniertheit, mit der der damalige König Küsse und Zärtlichkeiten mit seinen jeweiligen »Mignons« ausgetauscht hatte.
»Wenn eine Dame es sich einfallen ließ, zu viel von ihren Brüsten zu zeigen, konnte ihr das die sofortige Verbannung vom Hofe eintragen«, amüsierte sich Céleste. »Weibliche Brustwarzen schienen ihm nicht vom Lieben Gott, sondern vom Teufel persönlich erschaffen worden zu sein.«
»Mon Dieu, ja! Ich erinnere mich noch gut an die Marquise de Fontillac, eine wunderschöne Dame, die es leider liebte, ihren prachtvollen Busen etwas zu sehr zur Schau zu stellen. Ihr hat der erboste Ludwig XIII. erst ins Dekolleté gespuckt, dann musste sie zur Strafe für immer den Hof verlassen …« Madame de Motteville schüttelte den Kopf.
»Während die anschwellende Beule im Schritt eines hübschen Jünglings Seiner Majestät glitzernde Augen bescherte«, fiel ihr Céleste kichernd ins Wort.
»Der Ton am Hof ist um vieles legerer geworden«, stellte Marie de Chevreuse erfreut im vertraulichen Gespräch mit Anna fest. »Es herrscht jetzt ein freies und unbekümmertes Miteinander. Niemand hat mehr Angst vor Bespitzelung oder Überwachung im Louvre.
Vorbei die Zeiten, wo beständig Spione durch die Gänge schlichen und Agenten die Post öffneten, um dem allmächtigen Kardinal Richelieu sogar die geheimsten Gedanken der Untertanen zu offenbaren! Jeder scheint das Gefühl zu genießen, dass ein Albtraum vorüber ist.
Am spanischen Hof war die Spionage zwar nicht allgegenwärtig, aber ich kam mir meistens wie auf einer Beerdigung vor - und nicht wie in einem Palast, wo Menschen aus Fleisch und Blut leben.«
Anna war überglücklich, dass ihre liebe Freundin sich im Louvre offenbar sehr wohlfühlte; sie selbst konnte es nicht mehr ertragen, längere Zeit von der Herzogin getrennt zu
sein. »Ich brauche Euer witziges und geistreiches Geplauder wie die Luft zum Atmen«, behauptete sie des Öfteren - was allerdings Marie de Hautefort kränkte …
KAPITEL 57
SEIT DEM TOD Ludwigs XIII. waren etwa vier Jahre vergangen. Der kleine König - inzwischen beinahe acht Jahre alt - entwickelte sich zu einem ausgesprochen hübschen Jungen mit zartem, rosigem Teint und feinen, edlen Gesichtszügen. Er war geradezu das Ebenbild seiner schönen Mutter. Das größte Entzücken - besonders der Damen - erweckte aber sein golden schimmerndes Lockenhaar.
»Heute habe ich ein hübsches Kompliment über Euch gehört, Majestät«, flüsterte Céleste ihrem Schützling beim Essen zu; man schrieb den 3. August 1646. »Der russische Botschafter hat Euch heute Morgen auf Eurem weißen Pony ausreiten sehen und meinte hinterher zu Eurer Maman: ›Dieser Knabe mit seinen blonden, glänzenden Haaren sieht aus wie ein kleiner Sonnenkönig .‹«
Ludwig der Vierzehnte wurde dieses schönen Komplimentes wegen durchaus nicht verlegen. »Dann soll der Herr Botschafter aus Russland nur Acht geben, dass er sich an mir nicht verbrennt«, sagte stolz der kleine Monarch.
Man konnte mit seiner Entwicklung zufrieden sein - zumindest im Großen und Ganzen. Was allerdings seiner Mutter, Kardinal Mazarin und anderen Herren und Damen Sorgen bereitete, war nach wie vor seine Schweigsamkeit. Und
seine an Schüchternheit grenzende Zurückhaltung war auch dazu angetan, Unangenehmes zu befürchten. Benahm sich ein zukünftiger König so ängstlich?
Monsieur Gaston, sein Oheim, machte sich mit Vorliebe lustig über den »Angsthasen«,
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