Im Dienste Der Koenigin
wenig entschädigen: Unser Vater hat dich immer schäbig behandelt. Es scheint gerade so, als hätte der Herzog vergessen, dass es dich überhaupt gibt.«
Darauf wollte Céleste nichts erwidern. »Damit werde ich
mir mein Häuschen so hübsch wie möglich einrichten«, kündigte sie stattdessen voller Stolz an.
Nicht zuletzt erhielt sie auch immer wieder beträchtliche »Geschenke« von Saint-Hector, dessen »Königin« sie immerhin war.
So sehr Maries Schwester den Aufenthalt in ihrem neuen Heim auch genoss, ließ sie es sich nicht nehmen - so oft ihr Dienst bei Ludwig XIV. es zuließ -, einen Abstecher zum »Hof der Wunder« zu machen. Arlette, die bärtige Zwergin, Monsieur Saint-Hector und all die anderen verwegenen Gesellen, die Huren und die Taschendiebe, die Einbrecher, die Zigeuner, die Gaukler, die Wahrsagerinnen und Bettlerinnen - irgendwie waren sie alle längst Célestes Freunde geworden.
»Insgesamt sind es verworfene und verachtete Menschenkinder. Dennoch sind sie geschunden und bemitleidenswert. Sie bilden den faulenden, gärenden Bodensatz einer unbarmherzigen Gesellschaft, die ihre schwächsten Teile verschlungen und anschließend als unverdaulich oder gar giftig ausgespien hat.«
Das waren Célestes Worte zu Marie gewesen, als sie ihr nach ihrer Rückkehr aus dem spanischen Exil von ihren neuen Freunden erzählt hatte. »Um nicht elend zu krepieren, haben sich alle diese Verlierer zusammengefunden, um mit Schläue, Betrug und, wenn nötig, auch mit roher Gewalt ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Was schadet es denn schon, dass der Großteil ihrer körperlichen Gebrechen bloß vorgetäuscht ist und jeder dieser ›Blinden‹ in der Regel sehen kann wie ein Adler? Willst du es ihnen verübeln, dass sie eitrige Geschwüre im Gesicht und an den Armen mit Teigklumpen hervorzaubern und dass die jämmerlichen Beinamputierten, die auf ihren rollenden Brettchen
vor den Kirchenportalen kauern, jeden Abend fröhlich auf ihren zwei gesunden Beinen in Richtung ›Hof der Wunder‹ rennen?«
Marie de Chevreuse hatte über den absonderlichen Umgang ihrer Schwester zwar schaudernd den Kopf geschüttelt; insgeheim bewunderte sie Céleste aber für ihren Mut, sich in den tiefsten Sumpf des Verbrechens hineinzuwagen.
»Meine kleine Halbschwester erlebt die andere Seite unseres feudalen Frankreichs«, dachte sie. »Ihr erschließt sich hautnah der fundamentale Gegensatz zur Adelsgesellschaft und zum reichen Bürgertum. Das mag zwar gräulich und auch nicht ungefährlich sein - aber interessant ist es allemal.«
Beinahe beneidete Marie die andere - wobei sie nicht ahnen konnte, dass sie selbst eines nicht allzu fernen Tages mit der Unterwelt in Berührung käme.
KAPITEL 72
CÉLESTES STELLUNG ALS Erste Gouvernante beim kleinen Sonnenkönig war nach wie vor unangefochten. Sie war eine respektable Dame geworden, die einmal pro Woche erlesene Gäste in ihr kleines Palais einlud. Man ging sehr gerne zu diesen Empfängen und drängelte sich geradezu in ihrem bezaubernden kleinen Salon, von dessen breiter Fensterfront mit den bodenlangen, duftigen Tüllgardinen man auf eine gepflegte Rasenfläche sah, welche direkt zur Seine hinunterreichte.
Adlige Damen und Herren, sowie Wissenschaftler und
Schriftsteller gaben sich bei ihr die Klinke in die Hand, ebenso wie Theaterschauspieler und Maler.
Von einem der letzteren erfuhr Céleste auch ein pikantes Geheimnis, das sowohl sie als auch ihren verstorbenen Ehemann, Guy Lombarde, betraf. Gaspard Poussin, der Schwager und Schüler von Nicolas Poussin, dem Meister des französischen Klassizismus, eröffnete ihr folgendes:
In der ersten Zeit seiner Liebe zu Céleste hatte Guy sie nackt auf einer Chaiselongue liegend gemalt, mit einer weißen Lilie in der Hand - letzteres als Huldigung an die herrschenden Bourbonen gedacht. Monsieur Lombarde hatte ihr damals ganz ernsthaft versprochen, dieses Ölgemälde niemals zu verkaufen, ja nicht einmal in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Bald darauf war es Mode geworden, dass sich adlige Damen »im Evaskostüm« malen ließen. Guy machte gewaltig Furore, als insgeheim bekannt wurde, dass er bei Damen, die über keine schönen Brüste verfügten oder plumpe Hüften besaßen, einfach den perfekten Busen seiner Frau sowie deren schmales Becken und ihre schlanken Oberschenkel als Modell verwendete.
Denn Maries Halbschwester hatte einfach »göttlich geformte Brüste, venusgleiche Hüften und ein entzückendes, kleines Bäuchlein, dazu
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