Im Dienste Der Koenigin
wurden. Einer der aberwitzigsten sah vor, den Thronfolger Ludwig zu entführen und seine Mutter, die Regentin, vor Gericht zu stellen.
»Schon bei der Überlegung, unter welche Anklage man mich, die Mutter des Dauphins, zu stellen habe, klaffen die Ansichten allerdings weit auseinander.«
Einige der Hofdamen kicherten diskret. Sollte man Anna in einem hochoffiziellen Prozess ernsthaft vorwerfen, mit einem Mann, der zufällig nicht der ihre war, geschlafen zu haben?
In den Reihen des Widerstands war tatsächlich die große Ernüchterung eingekehrt. Wer, um alles in der Welt, sollte denn nun das Heft in die Hand nehmen? Keiner der Aristokraten gönnte einem anderen den Griff nach der Krone.
Der eingebildete Herzog de Condé erschien keinem geeignet, und der Herzog von Orléans noch viel weniger. Mindestens sechsmal hatte der missgünstige Intrigant während der Regierungszeit Ludwigs XIII. Revolten gegen seinen Bruder, den König, angezettelt, hatte seine Mitstreiter dann schmählich im Stich gelassen und zum Schluss allesamt verraten. Sie fanden jeweils auf dem Schafott den Tod, während Monsieur Gaston stets mit einem blauen Auge davonkam.
Nein, diesen Mann wollte wirklich niemand zum Regenten für den unmündigen König machen! Zudem traute man ihm
durchaus zu, dass er das Parlament entmachten und damit für alle Zeiten ausschalten könnte.
Andere Adlige standen zur Diskussion, aber jeder hatte seine Widersacher und Neider und keiner von ihnen konnte die nötigen Stimmen auf sich vereinigen. Klammheimlich und mit aller Behutsamkeit pirschten sich daher einige der vernünftigeren Abgeordneten an die Regentin Anna heran, um wenigstens das Problem mit ihr zu erörtern.
Zu ihrem größten Erstaunen war die Königin aber nicht im Geringsten daran interessiert, mit den Herren über dieses Thema auch nur ansatzweise zu diskutieren. Und sich auf irgendwelche faulen Kompromisse einzulassen - das fiel ihr nun schon überhaupt nicht ein. Wozu auch?
Sie handelte seelenruhig nach dem schlauen Ratschlag Kardinal Mazarins, mit dem sie während der Zeit seiner Verbannung in heimlichem Briefkontakt stand. Genau diese Situation hatte er nämlich vorhergesehen und rechtzeitig einen Plan geschmiedet.
»Ihr müsst vor allem Zeit gewinnen, Madame«, riet der gewiefte Diplomat seiner Geliebten, und danach richtete sie sich. »Zögert unbedingt die Verhandlungen mit dem Parlament hinaus. Spielt ruhig auf Zeit. Und wenn es gar nicht anders geht, schützt Unpässlichkeit vor.«
Zunächst fragte sich die Regentin nach dem Nutzen dieses Vorgehens. Aber dann hatte sie schnell begriffen:
Bald schon schriebe man den 5. September des Jahres 1651 und das war ein ganz besonderes Datum! Es war der Tag, an dem ihr Sohn Ludwig seinen dreizehnten Geburtstag feiern würde - und damit nach gutem, altem, französischem Recht volljährig wäre …
KAPITEL 73
LUDWIG, JETZT EIN Knabe von dreizehn Jahren, war kein Kind mehr. Durch die mannigfachen Erlebnisse in der schrecklichen Zeit der Fronde war der Dauphin frühzeitig zum jungen Mann gereift, der genau wusste, was er wollte und - wer seine wahren Freunde waren.
»Ich werde mich nicht zum Spielball irgendwelcher Edelleute degradieren lassen, die nur ihr eigenes Wohl und das ihrer raffgierigen Sippschaft im Auge haben. Der wichtigste Mensch war, ist und bleibt für mich meine geliebte Mutter Anna«, vertraute er »Madame Mère Céleste« an.
Bereits im vergangenen Sommer war es dem Dauphin gelungen, seinen Oheim Gaston aufzuschrecken, als er ihn offen aufgefordert hatte: »Mon Oncle, habt doch, bitte, die Güte und erklärt Euch frank und frei: Haltet Ihr zu mir, Monsieur, oder zu den Anhängern der Fronde?«
Da dämmerte es dem niederträchtigen Herzog von Orléans zum ersten Mal, dass er es in Zukunft mit diesem Jüngling auf dem Königsthron vermutlich keineswegs leicht hätte.
Zwei Tage nach seinem dreizehnten Geburtstag, also am 7. September 1651, wurde Ludwig XIV. gemäß alter Sitte im Parlament für mündig erklärt. »Damit sind die Weichen gestellt und niemand muss sich mehr über einen möglichen Regenten den Kopf zerbrechen«, stellte mit Befriedigung Céleste fest, die jetzt allerdings zu ihrem Leidwesen ihre Zeit als Gouvernante des »kleinen Sonnenkönigs« für beendet wähnte.
Ludwig machte ihr jedoch umgehend klar, dass er weiterhin ihre Anwesenheit in seinem Hofstaat für unumgänglich notwendig hielt:
»Eure Gegenwart, Madame Mère Céleste, ist mir nach wie
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