Im Dienste Der Koenigin
niedliche, allerliebste Kinderfüßchen und ebensolche Hände«, wie ein Verehrer sich einmal enthusiastisch äußerte.
Auch ihr wohlgeformtes Gesäß und der schwanengleiche Hals entzückten manchen Kavalier, so dass viele die beiden Missgriffe, welche die Natur sich mit ihr erlaubt hatte, glatt vergaßen. Und ihr in der Tat ebenmäßig schönes Gesicht, umrahmt von duftigem, leicht silbrig schimmerndem Haar, war ohnehin über jede Kritik erhaben.
Jetzt aber musste Céleste durch Poussin erfahren, dass es sich ihr verblichener Gatte zur Regel gemacht hatte, ihr Bildnis willkürlich zu vervielfältigen und nur die Gesichter der einzelnen Damen auszutauschen.
»In beinahe jedem Salon in Paris hänge somit ich an der Wand, zumindest mein Körper, den Guy so raffiniert auf den Diwan drapiert hat, dass mein kürzeres Bein nicht auffällt. Und von vorne sieht man meinen Buckel sowieso nicht.
Gerade mal die verschiedenen Köpfe brauchte er dann noch draufzusetzen! So waren seine Bilder in Rekordzeit fertig, da die Leinwände mit meinem Akt sich schon dutzendfach in seinem Maleratelier stapelten. Er musste nur noch den jeweiligen Hintergrund, die Gesichter, die Frisuren und den Schmuck an Hals und Händen variieren und: Voilà!«
»Was wollt Ihr dagegen unternehmen, Madame?«, fragte sie ein Verehrer neugierig, als sie an einem Empfangsabend in geselliger Runde dieses kleine Geheimnis gelüftet hatte.
»Ach, ich weiß nicht«, antwortete Céleste leichthin. »Zuerst habe ich mich schrecklich geärgert, aber jetzt bin ich geneigt, das Ganze von der humorvollen Seite zu nehmen. Es entbehrt doch nicht einer gewissen Komik, sich vorzustellen, dass viele derjenigen, die als makellos gelten oder behaupten, es zu sein, eigentlich das Bildnis eines Krüppels über ihrem Kamin hängen haben. Sie müssen zugeben, Messieurs, Mesdames, der Gedanke daran verfügt durchaus über einen gewissen, pikanten Reiz, n’est-ce pas?«
Céleste lachte glockenhell und alle Anwesenden taten entzückt - wobei die charmante Gastgeberin genau wusste, dass ein nicht geringer Teil ihrer Besucherinnen gleichfalls vom Trick des Malers Guy Lombarde profitiert hatte …
Marie de Chevreuse verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen, als sie von der spaßigen Geschichte erfuhr.
»Warum hat dieser dumme Mensch nicht mich gemalt? Dann hätte er wenigstens gewusst, was wahre, weibliche Schönheit bedeutet«, murmelte sie unwillig.
Die Herzogin übersah dabei nur eine Kleinigkeit: Als Guy Lombarde das Nacktporträt seiner Frau gemalt hatte, war Marie überhaupt nicht in Frankreich gewesen, sondern längst in ihrem spanischen Exil.
Aber »die Chevreuse« vergaß in letzter Zeit so vieles - was sie im Übrigen nicht besonders kümmerte. Allein ihren zunehmenden körperlichen Verfall registrierte sie mit Sorge. Ihre Gewichtszunahme und die damit verbundene Kurzatmigkeit, die Verschlechterung ihrer Sehkraft und ihre Trägheit - auch die des Geistes - irritierten sie immer mehr.
Dass sie ständig müde war und andauernd das Bedürfnis hatte, Unmengen zu trinken, sowie ihre zwanghafte Gier nach fetten und süßen Speisen, bereiteten ihr Kummer. Kaum hatte sie wieder ein Stück Torte oder eine Schachtel mit Pralinés verschlungen, war sie todunglücklich und schwor sich, in Zukunft darauf zu verzichten.
Aber da war dieser unerklärliche Heißhunger …
Auch dass sie ständig missmutig war, bei der geringsten Kleinigkeit aus der Haut fuhr und nicht selten gute Freunde vor den Kopf stieß mit taktlosen Äußerungen, das war ihr zwar bewusst - aber sie war nicht imstande, sich zu beherrschen.
»Weshalb habe ich mich so verändert? Kann mir denn keiner helfen?« Das fragte sich Marie neuerdings beinahe jeden Tag. Auch Annas Ermahnungen hinsichtlich ihrer Gesundheit wollten ihr nicht mehr aus dem Kopf.
»Die führenden Herren der ehemaligen Fronde sind mittlerweile heillos zerstritten.« Annas Befriedigung war nicht zu überhören. Sie nützte das herrliche Maiwetter aus, um mit ihren
Hofdamen einen Spaziergang im Park des Palais Royal zu unternehmen. »Nun scheint es sich zu rächen, dass niemand rechtzeitig ein Konzept für das ›Danach‹ entwickelt hat. Keiner von meinen und des Kardinals Feinden hat jemals einen Gedanken daran verschwendet, wie es ohne uns beide weitergehen soll.«
Die Damen wussten, dass die Fronde wohl Dutzende von äußerst lautstarken Versammlungen abhielt, auf denen die absurdesten Vorschläge diskutiert
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