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Im Dienste Der Koenigin

Titel: Im Dienste Der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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trennen. Er ist das Feindbild Nummer eins aller Franzosen. Ist er endlich entmachtet, dann werden sich hoffentlich die meisten Adligen wieder auf ihre Loyalität dem Königshaus und Euch gegenüber besinnen.
    Selbst das ist nicht ganz sicher, aber es besteht immerhin die Hoffnung. Eines aber ist sicher: Mit Mazarin ist der Thron für den kleinen Sonnenkönig verloren.«
    Anna straffte ihren Rücken. So ungern sie dies alles hörte, war sie sich doch bewusst, dass sie etwas unternehmen musste, um die angespannte Lage zu entschärfen. Dieser Bürgerkrieg ruinierte auf Dauer das Land.
    »Sowohl die Soldaten der Krone wie die Kämpfer der Fronde zerstampfen mittlerweile mit ihren Gäulen Saat und Felder; und die Menschen, einst umgeben von fruchtbarem Ackerland, leiden gotterbärmlichen Hunger«, legte Monsieur de Loudan noch nach, als er sah, dass Anna sich allmählich bekehren ließ.

    »Es fehlt nicht mehr viel und Frankreich ist ebenso ausgelaugt wie Deutschland, in das nach einem dreißig Jahre währenden, äußerst blutigen Krieg endlich der Frieden eingekehrt ist.«
    Der Herzog de Loudan dachte nicht daran, jetzt aufzugeben. Eindringlich musterte er die schöne Frau, die ihm gegenübersaß. Die Regentin saß sichtlich niedergeschlagen im Kreis ihrer Gefolgsleute und blickte zu Boden. Alle hatten zu den Worten des Sprechers beifällig genickt.
    Schließlich hob die Königin den Kopf und gestand mit leiser, dumpf klingender Stimme: »Es ist ja wahr, nach außen führen wir immer noch Krieg gegen Spanien und im Innern haben wir eine Revolution des Adels, dazu Revolten der Bürger und des niederen Volkes. Und was kann ich dagegen setzen? Nurmehr wenige zuverlässige Truppen, die zudem kurz vor dem Zusammenbruch stehen.«
    Anna seufzte tief und runzelte die porzellanweiße Stirn. Sie versprach, ernsthaft über den Vorschlag des Herzogs nachzudenken. Die Heftigkeit der Kämpfe, die sie in ihrem Inneren auszutragen hatte, vermochte freilich keiner zu erahnen.

KAPITEL 71
    TROTZ IHRER EINSICHT in die bittere Notwendigkeit zögerte die Regentin noch immer, ihren Geliebten der Realität zu opfern. Da wagte schließlich während einer Audienz der Generaladvokat Monsieur Talon, ihr geradeheraus ins Gesicht zu sagen:

    »Madame, bereits seit zehn Jahren ist unser schönes Frankreich ruiniert. Die Bauern und die kleinbürgerliche Bevölkerung in den Städten sind am Verhungern, weil die einen sich kein Saatgut leisten können und die anderen weder Brot noch Gemüse, geschweige denn Fleisch kaufen können. Ihr Vieh haben die Bauern längst geschlachtet und das Ackergerät verkauft.
    Haltet Euch dieses Elend einmal vor Augen, Madame! Ein so selbstherrlicher Regierungsstil wie der Eure mag ja vielleicht für die Mongolen oder andere Barbaren taugen. Aber in Frankreich waren wir es bisher immer gewohnt, als freie Bürger zu leben und nicht als geduckte Sklaven, denen es lediglich frei steht, an Hunger zu verrecken.«
    Dieser ebenso mutige wie leidenschaftliche Appell schien endlich dazu angetan, Annas Widerstand zu zermürben. Die Regentin verbrachte eine entsetzliche Nacht voller Angst und Selbstzweifel. Als sie daran dachte, dass sie selbst von ihrer besten Freundin, von Marie de Chevreuse, nicht den leisesten Hauch von Verständnis oder gar Unterstützung erwarten konnte, weinte sie bittere Tränen.
    Dass Marie ihre Abneigung gegen Mazarin ganz offen zur Schau stellte, schmerzte Anna unendlich und enttäuschte sie sehr. Konnte ihre langjährige Vertraute denn nicht begreifen, wie weh es tat, den geliebten Mann wegjagen zu müssen?
    »Der Kardinal ist nicht gut für Euch, Madame«, hatte Marie nur streng gesagt, »Ihr hättet Euch gleich zu Anfang von ihm trennen sollen.« Anna hatte sich vor Verzweiflung weinend an die Herzogin gewandt, in der Hoffnung auf ein wenig Trost. Doch die von Marie zur Schau gestellte Gefühlskälte ließ Anna sprachlos zurück.
    Gegen Morgen kam der Königin der erschreckende Gedanke,
dass Marie womöglich in ihrem ganzen Leben niemals wirklich geliebt hatte. »Sie versteht überhaupt nicht, dass ich leide«, dachte sie erschüttert. Tiefes Mitleid ergriff die Regentin. »Wer sich so leicht und jeweils nach kurzer Zeit von einem Mann trennt und sich einem anderen zuwendet, kann gar nicht wirklich lieben. Arme Marie …« Mit dieser Schlussfolgerung fand Anna vorerst ihren Frieden; die Selbstgerechtigkeit, die darin mitschwang, verdrängte sie erfolgreich - und ebenso die Tatsache, dass all die

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