Im Dienste Der Koenigin
ihnen wussten gar nicht, dass die Herzogin überhaupt jemals Mutter geworden war.
Nur den Älteren war noch gut in Erinnerung, wie wütend und verzweifelt die schöne Marie de Luynes gewesen war, als sie zum ersten Mal schwanger wurde. Die Sorge um ihre gute Figur hatte die junge Dame damals schier um den Verstand gebracht.
Céleste war es immer so vorgekommen, als hätte Marie ihre eigenen Kinder nach der Geburt am liebsten vergessen. Sie waren allesamt auf dem Land »in guter Luft« herangewachsen, fern vom Hof, zwar in Sicherheit vor den schlimmsten Auswüchsen der Fronde - aber auch weit weg von ihrer Mutter.
Kaum waren sie allerdings erwachsen, hatte die Chevreuse dafür gesorgt, dass der Sohn sowie zwei von ihren vier Töchtern passende Ehepartner fanden. Die anderen beiden Mädchen waren Äbtissinnen geworden - und zwar auf eigenen Wunsch.
Marie wäre es niemals in den Sinn gekommen, ihre Kinder zu irgendetwas zu zwingen. Hatte sie doch schmerzhaft am eigenen Leibe erlebt, was es bedeutete, nicht selbst über sein Schicksal entscheiden zu dürfen.
»Manches wäre in meinem Leben anders gelaufen, wenn man mir gestattet hätte, ein Wörtchen bei der Wahl meines Gatten mitzureden«, pflegte sie noch als alte Frau zu sagen.
Von ihren insgesamt fünf Kindern waren mittlerweile nur noch zwei am Leben: Der Sohn Louis Charles, Duc de Luynes, sowie Madame Henriette, inzwischen Äbtissin des Klosters
von Jouarre. Die andere Nonne lag auf dem Friedhof ihres Klosters und die beiden jüngsten Töchter leisteten bereits dem alten Claude in seiner Gruft Gesellschaft.
Bei ihren Enkeln hatte die Herzogin sofort großmütterliche »Besitzansprüche« angemeldet.
»Sie liebt sie leidenschaftlich«, amüsierte sich Anna, »und tut alles, um deren Macht, Besitz und Einfluss zu vergrößern. Seit neuestem ist meine gute Marie damit beschäftigt, für ihre Enkelkinder Heiratspläne mit geeigneten Kandidaten aus dem Hochadel zu schmieden.«
So ganz konnte Marie es also immer noch nicht lassen, im Hintergrund auf die Geschicke ihrer Liebsten einzuwirken …
KAPITEL 92
MITTE DES JAHRES 1661 konnte es keinen Zweifel mehr geben: Marie Aimée de Rohan-Montbazon, Duchesse de Chevreuse, die einst so auffallend attraktive und Männer betörende Aphrodite, wurde in kürzester Zeit zum zweiten Male alt und reizlos. Außerdem verlor sie innerhalb einiger Wochen mehrere Zähne.
Zu ihrem Leidwesen ging der zweite Sommer ihres Lebens endgültig zu Ende. Mit sechzig war sie zwar gesund, aber nahezu so dick wie zu Beginn ihrer »Verjüngungskur« - und beinahe genauso fromm, wie es ihre beste Freundin Anna schon immer gewesen war.
»Stundenlang verharrt ihr, du und Königin Anna, neuerdings in der Schlosskapelle«, verwunderte sich Céleste, die
immer noch gut aussah. Sie war schlank geblieben, ihre Haut nahezu faltenfrei; auch ihr Haar erinnerte noch an das eines Engels, so dicht gelockt wie es war. Nur erstrahlte es nicht mehr in lichtem Silberblond, sondern war inzwischen vollkommen weiß - ein Umstand, der ihr jedoch nichts von ihrer Attraktivität nahm.
»Worum betet ihr beiden denn so innig und ausdauernd? Etwa für das Seelenheil unseres Vaters, der beinahe so alt wie Methusalem geworden ist?«
Herzog Hercule de Rohan-Montbazon war im Juni 1661 mit beinahe neunzig Jahren von dieser Erde gegangen.
Marie vertraute Céleste den Kummer der Königinmutter an, der zugleich auch der der jungen Königin war. Maria Teresa war schon kurze Zeit nach ihrer Heirat bewusst geworden, dass sie am Hof ihres geliebten und bewunderten Gemahls Ludwig immer nur die zweite Geige spielen würde. In aller Öffentlichkeit amüsierte sich der König mit seinen Mätressen - unter diesen gar seine Schwägerin Henriette, die Frau seines Bruders Philippe.
Monsieur Philippe seinerseits bevorzugte die Gesellschaft junger Herren und zeigte sich privat gerne in Frauenkleidern. Jeder am Hof wusste, woher »Monsieur« diese unselige Veranlagung hatte.
Anna, von Mitleid mit ihrer unglücklichen Schwiegertochter bewegt, hatte ihrem älteren Sohn bittere Vorwürfe gemacht, vermochte sie den Schmerz der jungen Königin doch nur allzu gut nachzuempfinden.
»Sie hat damit aber nur erreicht, dass der verärgerte Monarch seine Maman eine Woche lang vor dem gesamten Hof demütigte, indem er sie schlichtweg übersah. Erst vorgestern versöhnten sich Mutter und Sohn wieder.«
Marie saß im Schlafzimmer ihrer Schwester Céleste, die einer
hartnäckigen Magenverstimmung
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