Im Dienste Der Koenigin
sollten, wärst du die Erste, die davon etwas wissen müsste!«
»Worauf du dich verlassen kannst, ma Chère!«, rief Marie empört. »Ich werde allen Klatschmäulern ein für alle Mal ihr dreckiges Maul stopfen. Du erinnerst dich an die Akte, die ich im ›Hof der Wunder‹ an mich genommen habe? Ich habe sie zwar vor deinen Augen verbrannt, aber es muss noch Kopien gegeben haben. Und jetzt, da Anna durch den Tod Mazarins ohnehin geschwächt ist, zeigen sich ganz bestimmte Leute interessiert daran, diese gemeine Lüge wieder auszugraben. Aber die sollen mich kennenlernen!«
Und Marie machte Ernst mit ihrer Drohung. Sobald sie nur die geringste Andeutung hörte, die den »Mann mit der Eisernen Maske« in Verbindung zur Königin brachte, verkündete sie laut und deutlich, dass sie selbst damals Madame Anna mehrmals im Kloster Val de Grâce besucht habe und sehr
wohl eine eventuelle Schwangerschaft bemerkt hätte - falls eine solche bestanden hätte.
»Ich kann bei Gott und allen Heiligen beschwören, dass Ludwig-Dieudonné und Philippe die einzigen Kinder sind, welche die Königin je zur Welt gebracht hat.«
Und kriegerisch fügte sie hinzu:
»Jeden, der etwas anderes behauptet, werde ich vor Gericht zerren und ihn der bewussten Lüge und der tödlichen Beleidigung Ihrer Majestät, Königin Anna, beschuldigen.
Und wer etwa glaubt, er müsse Madame Anna mit diesen infamen Erfindungen behelligen, dem gnade Gott: Ihn werde ich mir ganz persönlich vornehmen!«
Maries beherzte Auftritte sollten in der Tat beeindruckende Wirkung zeigen. So geheimnisvoll und plötzlich wie die Gerüchte aufgekommen waren, so schnell verschwanden sie auch wieder. Auf einmal interessierte sich niemand mehr für den unglücklichen, immer noch in der Bastille schmachtenden »Mann mit der Eisernen Maske«.
Mit Anna ging zum zweiten Mal eine geheimnisvolle Wandlung vor sich. Sie, die während der Krankheit ihres Geliebten gebeugt und mit rotgeränderten Augen wie ein Schatten umhergeschlichen war, trocknete ihre Tränen, richtete sich auf und befahl - wie seinerzeit nach dem tödlichen Attentat auf Lord Buckingham - den Namen des Kardinals in ihrer Gegenwart nie mehr zu erwähnen.
»Aus der Tagespolitik will sich Ihre Majestät völlig zurückziehen, jetzt wo ihr guter Freund und Ratgeber Mazarin nicht mehr lebt«, konnte die Herzogin de Chevreuse den übrigen Hofdamen erzählen. »Aber dafür lässt sie ihre Gemächer im Louvre völlig neu einrichten und dekorieren. Sie hat für diesen Auftrag denselben Architekten verpflichtet,
der auch die Wohnsitze des Kardinals so prunkvoll ausgestattet hat.«
Die Königinmutter war in den nächsten Wochen und Monaten vollauf damit beschäftigt, ihr eigenes Reich komplett umzugestalten. Dies schien ihr die beste Möglichkeit, sich von ihrem Kummer abzulenken. Das Herzstück ihres neu eingerichteten Palastes wurde ein Badezimmer mit einer Marmorwanne, die auf vergoldeten Bronzefüßen in Form von Löwentatzen ruhte; die Wasserhähne waren aus reinem Gold. Das Raffinierte daran war: Dieses Badezimmer diente zugleich als Annas neues Boudoir.
Was nur die Herzogin und ihre Schwester wussten, war, dass die Wanne schon Marie am »Cour des Miracles« zur Reinigung und Entspannung gedient hatte. Auf wundersame Weise hatte sie im Zuge der Neugestaltung der Gemächer Annas ihren Weg aus der Höhle der Gesetzlosen an den »richtigen« Königshof, in den Louvre, gefunden … Ob der Architekt möglicherweise Beziehungen zum »Hof der Wunder« pflegte? Marie konnte es nie herausfinden.
Nach seiner Fertigstellung empfing Anna in diesem Baderaum tatsächlich ihre intimsten Freunde, allen voran - und zwar täglich für viele Stunden - die Herzogin Marie de Chevreuse, die darüber sehr glücklich war. Sie ahnte nicht, dass die Königinmutter sehr wohl von ihrem »Einsatz« für Annas Ehre erfahren hatte. Anna würde ihr diesen Freundschaftsdienst niemals vergessen - auch wenn sie kein Wort darüber verlor.
Die Chevreuse hatte sich vorgenommen, keine Gerüchte mehr zu verbreiten, sich unter keinen Umständen in Dinge einzumischen, die sie nichts angingen, und keine Intrigen mehr zu spinnen. Sie würde sich nur noch dem Wohlergehen ihrer Enkelkinder widmen.
»So ungern ich Mutter geworden und gewesen bin, so leidenschaftlich liebe ich als Großmutter meine Enkel«, pflegte sie unumwunden im Kreise der Damen zuzugeben. Die Königin und die übrigen Höflinge amüsierten sich im Stillen. Die Jüngeren unter
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