Im Dienste Der Koenigin
einstige strahlende Schönheit eingebüßt und war eine müde, ausgezehrte, alte Frau geworden. Doch die Gespräche mit Marie gaben ihr Kraft und ließen die schönen Seiten ihres nicht immer einfachen Lebens noch einmal aus den Tiefen ihrer Erinnerung auferstehen. Marie wiederum fühlte sich an der Seite ihrer besten Freundin oft in ihre Jugendtage zurückversetzt, als ihr das Leben am Hofe wie ein einziges rauschendes Fest erschienen war. Damals hatte sie nicht ahnen können, dass sie eines Tages erwachen und sich fragen würde, wo all die Jahre geblieben waren.
Noch etwas anderes erinnerte die Königinmutter und ihre Erste Hofdame an ihre gemeinsame Vergangenheit, diesmal aber in unheilvoller Weise: Ludwigs Finanzminister Fouquet, vor dem ihn Mazarin noch auf dem Sterbebett gewarnt hatte, erwies sich tatsächlich als gefährlicher Intrigant, der trefflich in die eigene Tasche zu wirtschaften verstand und seinen Herrn dreist belog. Der König rang sich schweren Herzens dazu durch, ihn verhaften und vor Gericht stellen zu lassen, sobald sich nur die Gelegenheit dazu bot.
Auch Ludwig beherrschte meisterhaft die Kunst der Verstellung. Er ließ sich nichts anmerken, da er den schlauen Fouquet nicht vorzeitig warnen wollte. Nur mit Colbert, seinem engsten Berater, und seiner Mutter besprach er die heikle Angelegenheit. Die Frage, die ihm schlaflose Nächte bereitete, lautete: War der Intendant der Finanzen bereits zu mächtig, um gestürzt zu werden?
Anna hegte in der Tat diese Befürchtung: »Fouquet ist bereits ein jüngerer Kardinal Richelieu geworden, allmächtig und unersetzbar, Sire. Zu seinen Anhängern gehören Künstler, Schriftsteller und die einflussreichen Jesuiten. Der Dichter Corneille nennt ihn ein Genie, sein älterer Bruder ist der Erzbischof von Narbonne, ein anderer Bruder ist ein hoher Minister und wiederum ein anderer bekleidet das Amt des obersten Hofstallmeisters.
Seine älteste Tochter hat er mit dem einflussreichen Armand de Béthune verheiratet und - ich bitte Euch, Sire, das nicht zu vergessen: Nicolas ist überdies ein persönlicher Freund von mir.«
»Ich weiß, Madame«, gab der König traurig zur Antwort. »Das machte es mir ja so schwer, zu einer Entscheidung zu gelangen.«
In Wahrheit hatte er sie längst getroffen.
Dass Fouquet überall seine Spione besaß, wie einst Richelieu, wusste er bereits von Colbert.
»Was ratet Ihr mir nun, Monsieur?«, fragte der König seinen Berater.
Dieser schaute Ludwig XIV. beherzt in die Augen und meinte: »Sire, trotz allem bin ich der Meinung, Eure Majestät sollte den Verräter und Betrüger Fouquet verurteilen lassen und sich damit endgültig zum unangefochtenen Alleinherrscher über Frankreich machen.«
»Ich danke Euch für diese ehrlichen Worte, Monsieur Colbert.«
Ludwig war hochzufrieden. Sozusagen als »ersten Warnschuss« berief der König auf die begehrte Statthalterstelle in der Tourraine den Herzog von Saint-Aignan - obwohl Fouquet alle erdenklichen Anstrengungen unternommen hatte, um seinem Bruder Gilles diesen Posten zukommen zu lassen.
Dies blieb nicht das einzige Signal; aber der Finanzminister fühlte sich immer noch vollkommen sicher. Außerdem war er mit großen Plänen beschäftigt: Gerade hatte er sich für die stattliche Summe von dreißigtausend Écus den Titel »Vizekönig von Amerika« gekauft.
Er befasste sich des weiteren mit der Organisation der Sardinenfischerei auf der Belle Île sowie mit dem Kauf der Insel Santa Lucia in Westindien, ferner mit Entwürfen zur Nutzung der Schätze von Guadeloupe und Madagaskar. Dazu hatte er erst kürzlich die Oberaufsicht über eine Walfanggesellschaft und dazu sechs Kriegsschiffe von Holland erworben.
Warum sollte dieser Mann auch nur einen Gedanken daran verschwenden, ob seine Zukunft gefährdet sein könnte? In aller Stille zog indes der König die Maschen des Netzes, in dem Fouquet sich heillos verfangen sollte, enger zusammen.
Vergnügt klatschte Céleste in die Hände. Bei dieser Nachricht fühlte sie sich gleich viel besser.
»Es ist einfach wunderbar, Marie, dass sich deine Ehe mit Monsieur de Laigne so hervorragend dazu eignet, Seine Majestät, den König, und Monsieur Colbert gegen diesen Fouquet zu unterstützen. Warum hast du bloß so ein Geheimnis daraus gemacht, Schwesterchen?«
Mit ihren gut sechzig Jahren war die Chevreuse erst vor kurzem - und noch dazu klammheimlich - eine dritte Ehe eingegangen mit einem Herrn aus dem Hochadel, der über »gute«
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