Im Dienste Der Koenigin
aufgewühlte Marie, die innerlich zur Mutterschaft noch so gar nicht bereit war, einigermaßen zu besänftigen.
Flüchtig durchzuckte sie noch der unwillkommene Gedanke, dass womöglich Ludwig XIII. der Vater ihres Ungeborenen sein könnte. Umgehend verbannte Marie jedoch diese Idee aus ihrem immer noch kindlichen Gemüt: Das konnte und durfte einfach nicht sein … Dennoch aber sprach sie ihre Befürchtung der Schwester gegenüber laut aus.
Die praktisch veranlagte Céleste hinkte daraufhin zu ihrem kleinen Schreibtisch, setzte sich, griff nach einem Kalender, einem Blatt Papier und zu Feder und Tinte; sodann begann sie irgendetwas niederzuschreiben, nachdem sie die Eintragungen auf dem Kalender genau studiert hatte.
»Was tust du denn da, meine Liebe?«, fragte Marie nach einer Weile verblüfft. »Willst du etwa unserem Vater und unserer Stiefmutter über meinen Zustand berichten?«
Céleste blickte auf und musste lachen. »Ich habe keinen Brief verfasst, Marie, sondern ich machte, wie du sehen kannst, eine Aufstellung und rechnete nach, ob es überhaupt möglich wäre, dass der König dich geschwängert hat. Und ich kann dir versichern - vorausgesetzt, du hast keine Verabredung mit Ludwig vergessen zu notieren -, dass dein Mann der Vater deines Kindes ist. Bist du jetzt beruhigt?«
Die Herzogin atmete erleichtert auf. »Du bist ein Schatz, Céleste.« Sie umarmte und herzte die kleine Céleste.
»Es ist mir nicht entgangen, Schwester - im Gegensatz zu anderen -, dass sich in deinem Inneren längst ein Wandel vollzogen hat.« Céleste flüsterte beinahe. »Ich hatte oft Gelegenheit, dich sehr genau zu beobachten. Und da ist mir aufgefallen, dass du den ungleichen Charakter von Anna und Ludwig studiert hast. Und was du da erkennen musstest, Marie, lässt dich tiefstes Mitleid mit Königin Anna empfinden.«
»Ja, das siehst du ganz richtig, ma petite! Ludwig ist ein richtiges Schwein«, vertraute Marie unumwunden ihrer Halbschwester an. »Der König ist nicht nur gelegentlich boshaft, gemein und rachsüchtig. Unter seinem königlichen Habitus verbirgt sich eine von Natur aus ausgesprochen unehrenhafte Gesinnung - und ich verachte ihn dafür.«
»Sei um Gottes willen leise, Marie«, mahnte die erschrockene Céleste. »Wenn dich jemand hörte, ist’s um dich geschehen, Chérie. Auch unsere Dienerschaft hat ihre Ohren überall. Wer im Schatten der Majestät lebt, muss mit den Wölfen heulen, sonst wird er von der blutgierigen, ewig hungrigen Meute aufgefressen.«
»Ich weiß, meine Liebe. Und der Anführer dieser Bestien ist kein anderer als unser König selbst! Man wird hier zwangsläufig zum elenden Heuchler, sonst ist man verloren. Aber dennoch stehe ich ab jetzt voll aufseiten dieser armen unterdrückten Frau. Das werde ich Anna demnächst auch sagen, sobald sie von den Folgen ihrer Fehlgeburt wieder vollständig genesen ist.«
Und tatsächlich, wenig später setzte Marie ihre Vorsätze in die Tat um: Die Königin war überglücklich, als ausgerechnet diese
reizvolle, junge Frau - mit der der König sie vor allen Höflingen gedemütigt hatte, indem er sie zu seiner Mätresse machte - vor ihr auf die Knie sank und bat: »Madame, es wäre meine größte Freude, wenn Ihr die Güte hättet und meine Freundschaft annehmen wolltet.«
Eigentlich hätte Anna allen Grund dazu gehabt, misstrauisch zu reagieren - allzu oft war ihre gutmütige Naivität ausgenützt und enttäuscht worden. Nicht wenige hatten sich - auf ihren eigenen Vorteil bedacht - um ihre Gunst bemüht, um sie dann gnadenlos fallen zu lassen und sich ihren Feinden am Hof anzuschließen.
Aber trotz ihrer schlechten Erfahrungen war Anna sofort geneigt, Marie zu vertrauen. Hatte sie doch von Anfang an geahnt, dass in der etwa Gleichaltrigen keine karrieregierige Intrigantin steckte, sondern ein nicht immer sehr glückliches junges Mädchen, welches man - ebenso wie sie - ohne sein Einverständnis verheiratet hatte. Im Grunde ging es ihr ähnlich wie ihr, der Königin...
Da Anna am Hof sonst niemanden hatte, dem sie ihr Herz hätte ausschütten können und der ihr ehrlich zugeneigt war, überwand sie ihr anfängliches Zögern rasch und stellte ihrer Ersten Hofdame lediglich einige prüfende Fragen.
Marie antwortete so offen und aufrichtig es ihr möglich war und wusste sich alsbald von der Königin ohne jeden Vorbehalt akzeptiert.
Vor allem dadurch, dass Marie ihr das besondere Verhältnis, das sie mit dem König verband, beichtete - nicht
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