Im Dienste Der Koenigin
Geheimnis, dass dieser König zwar keinen bestimmten Frauentyp bevorzugte, aber eines mussten sie immer sein: blutjung! Und ausgerechnet diese Voraussetzung erfüllte die schöne Marie mit bald sechsunddreißig Jahren nicht mehr. »Was geschieht nur mit Euch, teuerste Freundin, falls mein Bruder Euch fallen lässt?«, dachte Anna ein ums andere Mal bekümmert.
Was weder dem Ersten Minister noch seinem königlichen Herrn auffiel, war, dass sich binnen kurzer Zeit auch der Sinn Marie de Hauteforts zu wandeln begann: Aus der Angebeteten des Königs wurde insgeheim eine eifrige Anhängerin Königin
Annas. Beiden Herren fiel dieser Sinneswandel freilich nicht auf, weil sie selbst zu wahrer Freundschaft und Liebe nicht fähig waren.
So warf sich das arme Kind, einige Wochen nachdem es an den Hof gekommen war, der Königin weinend zu Füßen: »Madame«, beteuerte Marie de Hautefort, »ich wünsche die Gunstbezeigungen des Königs gar nicht! Nichts liegt mir ferner, als ausgerechnet Euch, Majestät, die Ihr so gut zu mir seid, zu kränken. Ich bitte Euch inständig um Verzeihung.«
Die gedemütigte Ehefrau fühlte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie war überglücklich über die Aussicht, wieder eine Freundin zu haben am Hof - dieser Schlangengrube an Missgunst, Neid und Häme. Anna versicherte die Kleine mit Freuden ihrer Vergebung und aufrichtigen Zuneigung.
»Wir werden sehr vorsichtig sein müssen, mein liebes Kind«, lächelte die Königin und betupfte sich die tränenfeuchten Augen. »Weder mein Gemahl noch Seine Eminenz, der hochwürdige Herr Kardinal, dürfen jemals von unserem Einvernehmen Kenntnis erhalten. Sonst wärt Ihr die längste Zeit meine Erste Hofdame gewesen.«
Marie de Hautefort lachte daraufhin übermütig und beruhigte ihre Herrin: »Madame, ich bin eine gute, ja, sogar eine ausgezeichnete Schauspielerin. Es wird mir ein Leichtes sein, Richelieu hinters Licht zu führen.«
Die Königin wusste, dass sie seit Beginn des französisch-spanischen Krieges in den Augen Richelieus im Verdacht stand, mit dem »Feind«, also mit ihrem Bruder, König Philipp IV., und mit der »Landesverräterin« Marie de Chevreuse in Kontakt zu stehen. Nicht zum ersten Male war dieser Sachverhalt Gegenstand einer Debatte mit dem König gewesen.
Als ihr dank Marie de Hautefort zu Ohren kam, dass Richelieu erneut Stimmung gegen sie machte, indem er ihr vor dem König eine Korrespondenz mit dem feindlichen Ausland unterstellte, beschloss Anna, eine »Atempause« zu nehmen und sich wieder in das Nonnenkloster Val de Grâce zu begeben. Vor einigen Jahren schon hatte es ihr eine geeignete Rückzugsmöglichkeit geboten, denn ihre Nerven widerstanden den ständigen Anfeindungen allmählich immer schlechter. Die Äbtissin des Klosters, eine Dame aus dem höchsten Adel, war ihr sehr verbunden und vermochte ihr auch einen gewissen Schutz vor den direkten Anfeindungen des Kardinals zu garantieren.
Und selbst des Königs Allmacht war innerhalb der festen Mauern der Abtei nur mehr begrenzt wirksam.
Kurz darauf kam es im Kloster zu einem bemerkenswerten Eklat. Ein von Richelieu angestifteter Minister vergaß seine guten Manieren so weit, dass er der Königin dreist ins Dekolleté griff, als diese ein wenig ungeschickt versuchte, in ihrem Ausschnitt einen Brief aus Spanien verschwinden zu lassen.
Tatsächlich förderte der unverschämte Mensch - der damit einen eklatanten Fall von Majestätsbeleidigung beging - das Schreiben wieder zutage, das er unverzüglich seinem Auftraggeber auszuhändigen gedachte. Die Königin stand starr vor Entsetzen. Sie vermochte kein Wort zu ihrer Verteidigung vorzubringen.
»Jetzt bin ich wohl endgültig verloren!«, war der einzige Gedanke, der sie durchzuckte.
Da hatte sie aber nicht mit Marie de Hautefort gerechnet, die ihre Geistesgegenwart und ihre Loyalität nun endlich unter Beweis stellen konnte. Wie eine Katze sprang die zierliche
Hofdame den Minister an und riss ihm das kompromittierende Papier aus der Hand. Dem Herrn eine schallende Ohrfeige zu versetzen, ehe sie den verräterischen Brief in tausend kleine Fetzen zerriss, war die Tat eines kurzen Augenblicks.
Die zweite Überraschung folgte umgehend: Sie brüllte den verdatterten Mann in einer Lautstärke an, dass es ihm gewiss noch längere Zeit in den Ohren nachklang:
»Was erlaubt Ihr Euch, Ihr verdorbener Mensch? Ich werde mich bei Seiner Majestät, dem König, über Euch beschweren, dass Ihr es gewagt habt, uns
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