Im Dienste Der Koenigin
Trauer und Einsamkeit. Längst konnte sie sich die temperamentvolle, intelligente, ihr in wahrer Freundschaft verbundene Hofdame aus ihrem Leben nicht mehr wegdenken. Sie vermisste auch die heiter-erotische Lektüre, mit der Marie sie oft und gerne versorgt hatte.
Stundenlang hatte ihr die in allen Liebesdingen so erfahrene Herzogin die neuerdings so begehrten, etwas schlüpfrigen, aber stets höchst romantischen Romane über edle Ritter und eingekerkerte, von Ungeheuern bewachte Prinzessinnen vorgelesen.
Es ließ sich so herrlich träumen dabei … Vor allem konnte man die eigenen, katastrophalen Lebensumstände wenigstens für eine Weile vergessen, denn in diesen Geschichten siegten immer »die Guten«. Sie kämpften mit Todesverachtung gegen Teufel, Feuer speiende Drachen, hinterhältige Väter oder gemeine Ehemänner und erhielten als Lohn dafür am Ende die Hand der Schönen.
Zwar sah sich Anna des Öfteren gezwungen, die Leichtlebigkeit der Freundin zu tadeln - deren allzu abwechslungsreiches Liebesleben erschreckte die fromme Katholikin zuweilen -, aber sie liebte die Herzogin einfach um ihrer selbst willen und sah ihr die »Fehltritte« nach.
Die Königin ahnte, dass Marie sich im Grunde ihres Herzens gar nicht so sehr nach »Abwechslung«, sondern einfach nach Liebe sehnte. Ihre beiden Ehemänner waren nicht im Stande gewesen, ihr diese zu geben …
»Wir sind uns eigentlich sehr ähnlich«, dachte Anna nicht zum ersten Mal. Zugegebenermaßen beneidete sie Marie wegen
ihres Kindersegens; sie wäre mit einem einzigen bébé schon selig gewesen. So konnte sie auch Maries ablehnende Haltung der Mutterschaft gegenüber nicht verstehen.
Und dennoch: Die Herzogin de Chevreuse war und würde immer ihre liebste Vertraute bleiben, vor der sie - fast - keine Geheimnisse hatte.
»Wie oft hat sie mich, wenn ich am Boden zerstört war, wieder aufgerichtet und durch ihre launige Art zum Lachen gebracht«, dachte Anna bekümmert, als sich der Kardinal kurz vor dem Allerheiligenfest 1637 bei ihr melden ließ. »Was mag er wohl diesmal wieder im Schilde führen, dieser Satan, der mich nur quälen will?« Die Königin zitterte regelrecht vor der Begegnung mit ihm.
Aber Richelieu war nur gekommen, um ihr ein schüchternes, junges Mädchen mit dem Namen Marie de Hautefort als neue Erste Hofdame zu präsentieren. Der Erste Minister war selbst unzufrieden mit dieser Wahl, aber er musste auf Befehl des Königs handeln, der sich - seines letzten, männlichen Gespielen überdrüssig - Hals über Kopf in das elfenhafte Geschöpf von sechzehn Jahren verliebt hatte.
Anna war keineswegs überrascht, hatte sie doch das Mädchen bereits zuvor schon kaum übersehen können: Um seiner Gemahlin zu zeigen, wie gering er sie achtete, hatte der König seine zierliche rotblonde Favoritin vor aller Augen mit kostbaren Geschenken geradezu überschüttet und vor den Hofleuten mit der lieblichen Hautefort ungeniert getändelt.
Aber die Königin war mit dieser jungen Edeldame gar nicht unzufrieden. Das Mädchen erschien ihr weichen Gemüts und ohne alle Hinterhältigkeit. Anna wusste zwar, dass die hübsche Kleine mit der weißen Haut, dem langen Haar und den grünen Augen die augenblickliche Favoritin ihres Mannes war. Aber sie wusste ebenso gut, dass keiner Frau eine Wahl
blieb, sobald das begehrliche Auge des Königs auf sie gefallen war. Es sei denn, die Erwählte verließe fluchtartig den Hof - eine Entscheidung, die wiederum ihre Familie in arge Verlegenheit bringen würde.
Das lenkte ihre Gedanken wieder zu »der anderen Marie«, der Herzogin de Chevreuse. Bei aller Courage, die ihre Freundin besaß, hatte doch auch sie es niemals gewagt, sich dem König und seinen Gelüsten direkt zu entziehen.
»Ach, Marie«, flüsterte sie traurig, »wie sehr vermisse ich Euch!« Natürlich war Anna erleichtert, als sie erfuhr, dass der Chevreuse die Flucht über die spanische Grenze gelungen war. Dieses Mal hätte es böse für sie ausgehen können: Dass Ludwig XIII. - wie schon mehrfach - auch in diesem Fall seine schützende Hand über sie gehalten hätte, wagte die Königin zu bezweifeln: Er war zu wütend gewesen.
Anna hoffte inständig, es möge ihrer Freundin gutgehen. Als sich am Hof die Neuigkeit wie ein Lauffeuer verbreitete, die Herzogin sei die Geliebte des spanischen Monarchen Philipp IV., erfüllte sie das mit gemischten Gefühlen. Anna kannte ihren Bruder und seinen Verschleiß an Mätressen …
Im Escorial war es kein
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