Im Dienste Der Koenigin
ersten Blick langweilige, ausgesprochen träge, an Politik vollkommen uninteressierte, aber schrecklich fromme Monarch, der auch äußerlich nicht viel Ansprechendes besaß, war sogar ein ausgezeichneter Liebhaber. Marie wusste, dass Philipp IV. neben ihr noch andere Mätressen besaß. »Was schert es mich?«, dachte sie kühl. »Hauptsache, er lässt mich nicht fallen, solange ich auf seine Gastfreundschaft angewiesen bin.«
Dass dieser leidige Zustand noch sehr lange andauern konnte, war ihr nur zu bewusst. Solange Richelieu, dieses Ekel im Kardinalsrock, als Ludwigs rechte Hand wirkte, bestand für sie keinerlei Aussicht, wieder in ihr geliebtes Frankreich zurückzukehren.
Immerhin musste sie keine Angst haben, vom König von Spanien gegen ihren Willen irgendwo festgehalten zu werden. Spanischen Mätressen des Herrschers hingegen drohte - nach Beendigung ihrer Liebesbeziehung zum König - die Verbannung in ein Kloster. Keinem Sterblichen unter den Spaniern war nämlich gestattet, eine Frau zu umarmen, der zuvor der Monarch dieses Landes seine Gunst geschenkt hatte …
Marie erinnerte sich nur zu gut an einen bezeichnenden Vorfall kurz nach ihrer Ankunft im königlichen Palast.
Philipp IV. hatte eine blutjunge Frau durch die Flure des Palastes verfolgt und sich, als diese sich vor ihm in einem Gemach verschanzte, gegen die Tür geworfen und ihr befohlen, ihm augenblicklich zu öffnen.
Marie de Chevreuse hatte deutlich vernommen, wie das Mädchen schluchzend geantwortet hatte: »Nein, Sire, nein, nein! Ich will später keine Nonne werden!«
Das verstand die Herzogin nur zu gut. Sie hätte dazu noch
viel weniger Lust gehabt … Die Mätressen des spanischen Königs wurden auch nicht offiziell anerkannt und konnten weder auf politische Macht noch auf größere materielle Vorteile hoffen. Scheinheilig tat man so, als gäbe es sie in Wahrheit überhaupt nicht. Das war auch ganz im Sinne der Kirche, die in Spanien nahezu übermächtig war.
»Auf Macht und politischen Einfluss in Spanien bin ich gar nicht begierig und mit Geschenken ist Königin Annas Bruder zum Glück ja recht großzügig …«, ging es Marie nicht zum ersten Male durch den Kopf. »Ich darf nicht vergessen, den heutigen Besuch Seiner Majestät in meinem Tagebuch zu vermerken.«
Das Festhalten aller wichtigen Ereignisse während ihres Exils in Spanien hatte sich Marie angewöhnt, um ja nichts zu vergessen. Da es viel zu gefährlich war, mit Anna in brieflichen Verkehr zu treten, würde sie ihr nach ihrer Rückkehr in die Heimat - an der sie keinen Moment zweifelte - das Tagebuch zu lesen geben, um die liebe Freundin an ihrem Schicksal teilhaben zu lassen.
»Vielleicht lese ich ihr auch nur geeignete Passagen daraus vor«, korrigierte sie sich in Gedanken selbst, innerlich lächelnd. Kannte sie doch die zuweilen arg prüde Königin...
Philipp hatte sich inzwischen vom Bett erhoben und hüllte sich in einen Morgenrock aus dicker, dunkelroter Seide. Er liebte dunkle Stoffe, seine Oberbekleidung war stets in feierlichem Schwarz gehalten.
In diesem Habitus, samt seinem in die Länge gezogenen Schädel, den großen, etwas vorstehenden, dunklen Augen und der hängenden Unterlippe ähnelte er stark einem traurigen Uhu; aber das bekümmerte ihn wenig. Er war der spanische König und damit makellos und über jeden Tadel erhaben.
Philipp war eitel wie ein Pfau und dünkte sich in seinem
übertriebenen Habsburgerstolz der wichtigste Mensch auf der Welt zu sein - bedeutender selbst als der Papst in Rom.
»Er denkt, vor ihm kommt höchstens noch Gottvater«, amüsierte sich Marie und unterdrückte ein Kichern. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Im Laufe der Zeit hatte sich bei ihren Begegnungen eine Art Ritual herausgebildet, von dem der König nicht mehr abwich.
Nachdem sie ihn auf den seidenen Laken »erfreut« hatte, öffnete Philipp eine Schatulle aus massivem Silber, die sein Kammerdiener vor dem Zubettgehen feierlich auf eine Truhe gestellt hatte.
Diese enthielt die herrlichsten Schmuckstücke, von denen ihr der dankbare König jeweils eines als Anerkennung und als Andenken - damit sie ihn bis zum nächsten Mal nicht »vergaß« - überließ.
»Was es heute wohl sein wird?«, fragte sich Marie und wandte ihren Blick dem Monarchen zu, der gerade dabei war, ein Collier aus schweren Goldgliedern mit riesigen, wunderbar geschliffenen Rubinen dem Schmuckkasten zu entnehmen. Im Geiste überschlug Marie den Wert der Preziosen. Offenbar war ihr
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