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Im Dienste Der Koenigin

Titel: Im Dienste Der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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verehrten Monsieur Saint-Hector. Zu ihm will ich dich heute Nacht führen, Céleste.
    Wenn er dich akzeptiert, bist du für alle Zeiten auf den Straßen von Paris sicher vor einem Überfall und hast jeden Einzelnen von diesem Gaunerpack zum Freund. Und wenn du jemals in Not sein solltest, wird man dich unterstützen und dir wieder auf die Beine helfen. Was willst du eigentlich mehr?«
    Céleste war sprachlos. Beinahe willenlos ließ sie sich durch den schlimmsten Abschaum von Paris führen an der Seite von Arlette, der Bärtigen, die von allen ehrerbietig, beinahe unterwürfig, begrüßt wurde. Der Weg führte über einen weiten und mit sogenannten Katzenköpfen gepflasterten Hof zum rechten Seitenflügel der baufälligen, insgesamt sechsstöckigen Wohnanlage, wenn man die Dachkammern dazuzählte.
    Sie kletterten eine ziemlich schäbige, aber breite Stiege in einem modrigen, nur spärlich beleuchteten Treppenhaus hinauf. In der dritten Etage endlich verharrte die Zwergin vor einer hohen, massiven und mit breiten Eisenbändern verstärkten Eichenholztüre. Zwei riesige Kerle hielten Wache davor.
    »Was in Dreiteufelsnamen tue ich eigentlich hier?«, fragte sich Céleste. »Ich, immerhin die natürliche Tochter eines
Herzogs, Zofe einer königlichen Favoritin und brave Ehefrau eines Hofmalers?«
    Dennoch folgte sie wie willenlos ihrer Führerin. »Na, wer weiß, vielleicht kann mir diese Erfahrung einmal zum Nutzen gereichen«, dachte sie dann fatalistisch und musterte neugierig die hünenhaften Türwächter.
    Als diese Arlette erkannten, senkten sie ihre Piken und grüßten militärisch. Einer riss die Türe auf und brüllte: »Madame la Reine!« ins Innere der dahinterliegenden Räume.
    Danach salutierten die bärtigen Burschen zackig. Einem der beiden fehlte vermutlich das rechte Auge, weil er die Stelle, an der sich die leere Höhle befinden musste, mit einer schwarzen Augenklappe verdeckt hatte - was ihm das verwegene Aussehen eines Piraten verlieh.
    Arlette ergriff die Hand der vor Staunen verstummten Céleste, lachte ihr tiefes, kehliges Männerlachen und zog die Widerstrebende mit sich in den durch Wandfackeln hell erleuchteten Flur einer riesigen Wohnung, deren Zwischenwände man herausgerissen hatte, um weite Gemächer zu erhalten.
    »Da staunst du, was? Jawohl, Monsieur Saint-Hector ist hier der König und ich bin seine Königin«, erklärte die Zwergin mit Würde und betrat einen großen Raum am Ende des Ganges, an dessen Wände sich zahlreiche »Untertanen« des merkwürdigen »Königspaares« drückten. Neugierig starrten sie der weiblichen Person in dem schlichten grauen Kleid entgegen, die ihre Herrin am heutigen Abend anschleppte.

KAPITEL 39
    UND DANN ENDLICH sah Céleste - die sich alles andere als wohlfühlte in der Gesellschaft dieser zwielichtigen Gestalten - von weitem Saint-Hector, den Herrscher über alle die Gestrandeten und Verlorenen, den legendären »König der Bettler« von Paris.
    Sie wusste überhaupt nicht mehr, was sie denken sollte.
    Dieser König aller Spitzbuben erschien ihr als außerordentlich schöner Mann. Im Geheimen wunderte sie sich, was der allem Anschein nach noch junge Saint-Hector an einer so hässlichen Kreatur wie der Zwergin jemals hatte finden können …
    »Gewiss verfügt Arlette über besondere Fertigkeiten in der Liebe, wovon andere Frauen nichts verstehen«, dachte sie, wobei ihr Blick über eine Reihe von ausnehmend hübschen und koketten Huren wanderte, die wohl alle mächtig stolz wären, für den »König« die Beine breit machen zu dürfen.
    Arlette, die wohl ahnte, welche Gedanken Céleste gerade beschäftigten, gab ihr mit einer ihrer kleinen Hände einen sanften Klaps auf ihr wohlgerundetes Hinterteil und forderte sie auf, sich mit ihr auf ein wuchtiges Sofa in einer Ecke des Salons zurückzuziehen, wo sie sich ungestört unterhalten konnten.
    »Monsieur Saint-Hector mag keine perfekten Frauenkörper, weißt du. Deshalb haben alle die hübschen Dinger, die am ›Hof der Wunder‹ herumschwirren, nicht die geringste Chance bei ihm. Er bevorzugt Weiber mit Gebrechen, mit Klumpfüßen etwa oder mit Bartwuchs und Kleinwüchsigkeit, wie ich sie aufzuweisen habe - oder mit einem Höcker, wie du, Chérie.«
    Als Céleste schlucken musste, fuhr die hässliche Zwergin
fort: »Als ich ihm von dir erzählt habe, von deinem Engelsgesicht und dem zu kurzen Bein sowie dem schiefen Rückgrat, hat unser König spontan gesagt: ›Dann werden wir ja hervorragend

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