Im Dienste Der Koenigin
solltet doch besser die Nacht bei Ihrer Majestät verbringen. Der Louvre ist nur eine kleine Meile entfernt. Das könnten wir gerade noch schaffen.«
»Völlig unmöglich«, widersprach Ludwig. »Die Königin ist Spanierin und nach spanischer Sitte pflegt sie am Abend sehr spät zu speisen. Außerdem liebt sie es, erst in den frühen Morgenstunden zu Bett zu gehen.«
Der König war es gewohnt, um sieben Uhr abends die letzte Mahlzeit zu sich zu nehmen und etwa gegen halb zehn schlafen zu gehen, während Anna sich nach Art der Südländer normalerweise erst um zehn Uhr das Abendessen servieren ließ und sich gegen ein oder zwei Uhr morgens niederzulegen pflegte.
Auch hierin waren die beiden Ehepartner grundverschieden.
Hauptmann Guitaut gab indes nicht so schnell auf. Er war nicht nur Annas heimlicher Bewunderer, der ihr aufrichtig einen Sohn wünschte, um ihre wacklige Position am französischen Hof zu stärken, er hatte ihr auch schon gelegentlich einen Gefallen erwiesen. »Das ist die Gelegenheit«, dachte er. »Und ich will verdammt sein, wenn ich diese Chance ungenutzt verstreichen lasse!«
»Majestät, die Königin wird gewiss ihr übliches Programm gerne ändern, wenn sie weiß, dass Ihr, Sire, mit ihr zu Abend speisen möchtet - und auch das mit dem früheren Zubettgehen lässt sich gewiss regeln.«
Der Hauptmann sprach mit großem Einfühlungsvermögen und klang dabei so überzeugend, dass der König schließlich zustimmte - vermutlich auch deshalb, weil ihm selbst nichts Besseres einfiel.
Zufrieden galoppierte Hauptmann Guitaut voraus, um Königin Anna »vorzuwarnen«, dass ihr Gemahl heute Abend mit ihr zu speisen und im Louvre zu übernachten gedachte.
Er legte ein halsbrecherisches Tempo vor, obwohl er kaum noch etwas sehen konnte - zum Glück kannte sein Gaul die Strecke und fand den Weg auch blind. »Bloß schnell weg, damit der König es sich nicht noch einmal anders überlegt«, murmelte er vor sich hin und duckte sich tief über die Mähne seines Pferdes, damit ihm die kleinen, scharfen Eiskörner nicht in die Augen sprangen.
Guitauts Sorge, der König könne seine Meinung ändern, war überflüssig. Relativ rasch ritt Ludwig mit seinem Gefolge hinterher und traf alsbald im halbfertigen Louvre ein. Das altehrwürdige Gebäude befand sich schon seit Jahren im Umbau.
Durch den Morast auf den Wegen und die Sturzbäche von oben waren die Reiter mit Schlamm bespritzt und vollkommen
durchnässt. Alle waren froh, sich nun im Trockenen und vor allem an warmen Kaminen einzufinden.
Bereits im Erdgeschoss empfing die Königin ihren Gemahl. Sie hatte sich nach Guitauts überraschender Ankündigung in aller Eile anders ankleiden und elegant frisieren lassen.
Der Ausschnitt ihres bodenlangen blauseidenen Kleides war nicht zu tief, sondern deutete ihren prächtigen Busen nur an, ein Band aus dem gleichen Stoff betonte ihre schmale Taille und das volle, blonde Haar hatte die Zofe zu einer gefälligen Frisur hochgesteckt.
Anna war mittlerweile sechsunddreißig Jahre alt, genau wie ihr Gemahl, und immer noch eine sehr schöne Frau mit wohlgerundeten Formen, großen, blauen Augen, einer zarten, hellen Haut, einer schmalen, edlen Nase und einem kleinen, roten Mund, ohne die bei den Habsburgern übliche, hängende Unterlippe. Man behauptete seit jeher, sie verfüge über die schönsten und weißesten Hände aller Damen an Europas Höfen.
Obwohl spanischer Herkunft, war sie längst überzeugte Französin geworden, wobei sie besonders stolz war auf ein Paar Ohrringe in Lilienform, die an das Haus Bourbon erinnerten, dem sie durch ihre Heirat angehörte. Diese hatte sie sich an diesem Abend von ihrer Zofe heraussuchen lassen. Dazu trug sie eine meterlange schimmernde Perlenkette mehrfach um den Hals geschlungen.
Gleich nach der Hochzeit hatte sie eifrig die Landessprache gelernt und sich ohne großes Bedauern von ihren spanischen Dienerinnen, Köchen, Ärzten und Beichtvätern getrennt und sich mit französischem Personal umgeben. Sie verstand es längst, sich fließend in gewähltem Französisch auszudrücken - besser jedenfalls als der häufig stotternde König.
Beim Volk von Paris war Anna seit Beginn ihrer Ehe sehr
beliebt. Sie hatte es sich nämlich zur Aufgabe gemacht - gekleidet als einfache Frau -, die Spitäler der Hauptstadt aufzusuchen, die Kranken zu pflegen und sich der Armen anzunehmen. Sogar einen Teil ihrer Juwelen hatte sie einst verkauft, um den Erlös an die Armen zu verteilen, weil sie
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