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Im Dienste Der Koenigin

Titel: Im Dienste Der Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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lauter Aufträgen kaum noch daheim blicken und wenn, dann war er einsilbig und müde. Sie konnte sich bisweilen kaum noch darauf besinnen, dass sie eigentlich verheiratet war. Wann hatte sie eigentlich zuletzt mit ihm geschlafen?
    Noch dazu waren seine Eltern, besonders die Schwiegermutter, zu ihr alles andere als nett. Ständig beklagte sich die keifende Alte, dass das Geld zu knapp sei, weil sie, Céleste, außer einem zu großen Appetit nichts in die Ehe mitgebracht
hätte; und dass sie es sich nicht länger leisten könnten, ein zusätzliches Maul zu stopfen.
    Das war eine unverschämte Lüge, denn Guy verdiente sehr ordentlich. In Wahrheit war es so, dass er seine Eltern durchfütterte.
    Weil die Stimmung so angespannt war, lief Céleste in ihrer freien Zeit in der Stadt umher, anstatt sich daheim um das bescheidene Hauswesen zu kümmern und ihrer belle-mère in der Küche und dem winzigem Gemüsegärtchen zur Hand zu gehen. Das anfängliche Glück schien sich unmerklich aus ihrer Ehe verflüchtigt zu haben …
    »Wem willst du mich denn vorstellen?«, wandte sie sich wieder an ihre Begleiterin. »Und warum müssen wir uns beeilen? Dieser jemand wird doch nicht mitten in der Nacht davonrennen und in der stockfinsteren Stadt herumirren, oder?«
    Arlette kicherte bloß.
    »Wart’s ab«, sagte sie kurz angebunden und watschelte zielstrebig weiter auf Beinen, die einer Fünfjährigen zu gehören schienen. Innerhalb des mittelalterlichen Mauerrings herrschte drückende Enge. Paris mit seinen 400.000 Einwohnern platzte aus allen Nähten. Charakteristisch für die Bebauung der Stadt waren an drei Seiten mit mehrstöckigen Häusern zugebaute, zur Straße hin mit einer Mauer abgeschlossene Plätze, die »Höfe«.
    Einer von ihnen, zentral und nördlich der Seine gelegen, nannte sich »Cour des Miracles« und zu diesem führte die Zwergin ihre Freundin Céleste.
    Der riesige Gebäudekomplex beherbergte auf engstem Raum etwa sechs- bis siebentausend Räuber, Bettler, Dirnen, Mörder und Strauchdiebe aller Art. Manche sprachen gar von zehn- bis zwölftausend Galgenvögeln. Auch anderes Gelichter, wie vermeintliche Hexen, Zigeuner, Zauberer und Quacksalber
aller Art fanden hier Zuflucht vor der königlichen Justiz.
    Jeder Kriminelle und Ketzer, selbst ein Landesverräter oder politischer Attentäter, konnte sich hier in den abgeschlossenen und gut bewachten, von außen uneinnehmbaren Gemäuern sicher fühlen. Nicht einmal der königliche Polizeikommissar samt seinem bewaffneten Fußvolk besaß den Mut, in dieses Hornissennest einzudringen.
    Die ohnmächtig erscheinenden Ordnungshüter mussten die Banditen möglichst einzeln schnappen, auf frischer Tat, wenn diese in der Stadt ihrem »Gewerbe« nachgingen. Hatten sie erst einmal ihren - besser wie jedes Zuchthaus - bewachten, befestigten und verschachtelten Schlupfwinkel erreicht, hatte die Obrigkeit das Nachsehen.
    »Hier ist mein Zuhause«, verkündete stolz die auf ihre Art merkwürdig alterslos wirkende Arlette. Céleste musste erst einmal schlucken, da sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
    Es war weniger die Schäbigkeit und Baufälligkeit der Häuser, die sich um den ziemlich großen Hof gruppierten, und die durch die abenteuerliche Bemalung der bröckelnden Fassaden noch betont wurde, sondern die augenfällige Verkommenheit seiner Bewohner, die sie fürs Erste sprachlos machte.
    »Das sind in der Tat Galgenvögel«, dachte Céleste, »denen ich nicht allein im Finstern begegnen möchte.«
    Jedem Einzelnen von ihnen traute sie es zu, dass sie ihren bemitleidenswerten Opfern erbarmungslos die Kehle durchschnitten, ehe sie diese bis auf die Haut ausplünderten und wie Abfall in der Gasse liegen ließen oder nackt in die Seine schmissen …
    Unwillkürlich griff sie nach dem Messer in ihrer Rocktasche, aber Arlette, die ihre Geste gesehen hatte, lachte bloß.
    »Lass nur stecken! Keine Angst, Herzchen, hier tut dir keiner
was. Es ist Gesetz, dass im ›Hof der Wunder‹ niemandem etwas zuleide getan wird - außer er wäre ein Gendarm oder Soldat des Kardinals Richelieu. Und jeder hält sich daran - sonst gäbe es massiven Ärger mit unserem König.«
    »Ach? Wer von diesen Spitzbuben schert sich denn hier um den König ?«, fragte verblüfft die junge Frau.
    Ihre Naivität brachte Arlette erst recht zum Lachen.
    »Doch nicht Ludwig den Dreizehnten habe ich gemeint, du Dummchen, sondern unseren ›König der Bettler‹, den großen und von uns allen heiß geliebten und

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