Im Dienste Der Koenigin
nicht über genügend Bargeld verfügte, um es als Almosen zu spenden. Im Laufe der Jahre hörte sie damit jedoch auf, denn der Kardinal erlaubte nicht mehr, dass die Gemahlin des Königs »sich beim niederen Volk einschmeichelte«, wie er es nannte. Richelieus Eifersucht konnte aber nicht verhindern, dass sie von den Menschen geliebt und verehrt wurde, während die einfachen Leute ihn zum Teufel wünschten …
Königin Anna war ziemlich erschrocken, als der Hauptmann der königlichen Leibgarde bei ihr aufgetaucht war und die baldige Ankunft ihres erlauchten Ehemanns gemeldet hatte.
»Seit sechs Monaten habe ich Seine Majestät nicht mehr zu Gesicht bekommen und jetzt auf einmal, mitten in der Nacht, fällt es ihm ein, mich hier zu überfallen«, sagte sie leicht verstört zu ihrer Ersten Hofdame, Marie de Hautefort. »Das mit der Abendmahlzeit lässt sich ja zum Glück noch regeln, aber dass der König auch bei mir schlafen will, das verwirrt mich doch ein wenig.«
»Kein Wunder, Madame«, lächelte die Hofdame. »Der gesamte Hausrat des Königs, einschließlich seines Bettes, befindet sich in Saint-Maur. Die Räume Seiner Majestät im Louvre sind nahezu leer. Der König ist also darauf angewiesen, dass Ihr ihm in Eurem Gemach Asyl gewährt.«
»Mon Dieu«, rief Anna, die vor ihrer jungen Freundin diesbezüglich keine Geheimnisse hatte, »vor Jahren hat mein Mann das letzte Mal mit mir geschlafen. Mir ist angst und bange davor.«
»Madame«, flüsterte Marie eindringlich und ergriff sogar die Hand ihrer Herrin, »das ist die Gelegenheit! Nutzt sie um Himmelswillen und verführt den König. Vielleicht hat der liebe Gott ein Einsehen und Ihr empfangt erneut ein Kind von Seiner Majestät. Dann könnte er Euch auch nicht mehr so schlecht behandeln. Eure Position am Hof wäre endlich gesichert.«
Anna leuchtete das sofort ein. Selten genug hatte sie bisher in ihrer merkwürdigen Ehe das Glück gehabt, guter Hoffnung zu werden. Von Anfang an hatte der König sie gemieden. Seine Männlichkeit hatte er lieber an Günstlinge und hin und wieder an Mätressen verschwendet.
Sollte sie noch einmal die Gelegenheit haben, schwanger zu werden, würde sie sich vorsehen, damit es diesmal nicht erneut zu einer Fehlgeburt käme. »Und wenn ich die gesamten neun Monate bis zur Entbindung im Bett liegend verbringen müsste«, schwor sich die Königin.
Marie de Hautefort hatte die Garderobe der Königin mit sicherem Instinkt ausgewählt. Annas Gewand mit den engen langen Ärmeln, dem anliegenden Mieder und mehreren Unterröcken zierte ein fein geklöppelter, breiter Spitzenkragen; das Kleid unterstrich ihre üppigen, weiblichen Rundungen, ohne sie zusätzlich zu betonen. Als einzigen Fingerschmuck trug sie ihren schlichten, goldenen Ehering.
Der König schien überrascht über ihr exzellentes Aussehen.
»Wie? Ihr altert wohl überhaupt nicht, Madame?«, begrüßte er sie leicht säuerlich, wenn auch durchaus beeindruckt. »Und nach Eurer Gesundheit brauche ich mich, wie ich sehe, auch nicht zu erkundigen: Ihr seht aus wie das blühende Leben.«
Hörbar schwang im Lob des Königs Neid mit - hatte er doch beständig mit allen möglichen Leiden zu kämpfen, während seine Gemahlin immer jünger und gesünder zu werden schien.
KAPITEL 41
»ICH FREUE MICH aufrichtig, Sire, dass Ihr mich aufsucht und mit mir zusammen speisen wollt«, sagte die Königin, bemüht um Herzlichkeit, und küsste ihren Gatten ungeniert auf beide Wangen. Er dagegen begrüßte Anna mit einem formvollendeten Handkuss, ließ dann aber sofort ihre Hand los, als habe er sich verbrannt.
»Ja, es lässt sich einrichten, Madame. Habe aber nicht allzu viel Zeit. Ich muss heute noch nach Saint-Maur, zur Jagd, Ihr versteht? Müsst aber gestatten, Madame, mich vom Schmutz zu säubern. Der Regen und der Schlamm haben meine Hosen befleckt.«
Ludwig hatte sehr langsam und akzentuiert gesprochen, um vor Verlegenheit nicht ins Stottern zu geraten, und es war ihm auch gelungen. Dennoch klang seine Rede - wie üblich, wenn er aufgeregt war - seltsam hölzern und abgehackt.
Beim abendlichen Diner saß das Ehepaar sich am festlich gedeckten Tisch gegenüber und Anna hatte Gelegenheit, ihren Gemahl genau zu betrachten. Ihr entging nicht, dass der König sie mit lauernden Blicken maß. Aber sein Wohlgefallen vermochte er nicht zu verhehlen.
Marie de Hautefort hatte ihr versichert, dass sie wunderschön
aussehe, und Anna glaubte ihr. Ihre Stimmung war demnach gelassen
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