Im Dienste Der Koenigin
Lande war die Luft entschieden besser als in der schmutzigen, aus allen Nähten platzenden Hauptstadt, wo die Einwohner - eingepfercht
hinter den alten Stadtmauern - in engen, verwinkelten Häusern, ohne Licht und Luft ihr Dasein fristeten.
Hier, sozusagen in Gottes freier Natur, sollte der kleine Ludwig seine frühen Kinderjahre verbringen, seine Milchzähne bekommen, das Sprechen lernen und seine ersten Schritte tun.
Für den spanischen König war es ein ungeheurer Schlag, als sein einziger Sohn, der Infant, völlig unerwartet - vermutlich an einem durchgebrochenen Blinddarm - im Alter von siebzehn Jahren verstarb. Das schreckliche Ereignis trat zudem wenige Wochen nach der Vereinbarung einer Heirat des spanischen Thronfolgers ein: Er hätte seine österreichische Cousine Maria Anna, die Tochter Kaiser Ferdinands III., ehelichen sollen.
Niemals zuvor hatte Marie de Chevreuse ihren Geliebten in einem solchen Zustand erlebt. Philipp war am Boden zerstört. All seine Hoffnungen waren von einem Augenblick auf den anderen dahin. Spanien war ohne Thronerbe.
Wochenlang sprach der König kaum ein Wort. Er verkroch sich zumeist in seiner Hauskapelle im Escorial, haderte mit Gott und betete gleichzeitig um Erleuchtung, was er jetzt tun solle. Der unglückliche Vater gelangte jedoch zu keiner Lösung; er sah Spanien bereits in den Händen seines Wiener Verwandten Ferdinand …
Maries wachem Verstand war es zu verdanken, dass sich schließlich ein Ausweg aus diesem Dilemma zeigte. Als der Monarch sie das erste Mal nach der prunkvollen Beisetzung des Infanten wieder aufsuchte, um Trost in ihren weichen Armen zu finden, präsentierte ihm die Herzogin ihren verblüffend einfachen Vorschlag.
»Sire, Ihr seid seit zwei Jahren verwitwet und zählt an Lebensjahren
erst zweiundvierzig. Ich rate Euch, nehmt doch an Eures Sohnes statt die junge Braut und verheiratet Euch mit Maria Anna. So könnt Ihr selbst dem Land noch einen Erben schenken.«
»Ihr meint, ich soll meine leibliche Nichte ehelichen?« Der Monarch zögerte. »Die Prinzessin ist erst dreizehn Jahre alt …«
»Das sollte kein Hindernis sein, Sire. Gerade die Habsburger lieben es doch, innerhalb der Verwandtschaft Ehen zu schließen. Zudem wird der Papst nicht zögern, Euch die entsprechende Erlaubnis zu erteilen. Und was das zweite anbetrifft, Sire: Älter wird das Mädchen von alleine.«
Philipp IV., der meist eine Leichenbittermiene zur Schau trug, erlitt einen seiner äußerst seltenen Heiterkeitsausbrüche.
»Ihr seid unmöglich, Querida mia, aber nichtsdestotrotz unvergleichlich amüsant in Euren Einfällen. Ich werde mir Euren Vorschlag reiflich überlegen.« In Wahrheit hatte der König bereits beschlossen, genau diesen vorzüglichen Rat seiner klugen Mätresse anzunehmen.
Seine Manneskraft war noch ungebrochen, bewies er das nicht fast täglich seiner leidenschaftlichen Geliebten, Marie de Chevreuse - und anderen Damen? Er war mit Sicherheit imstande, noch einen Infanten zu zeugen.
Der kaiserliche Vater der Braut hatte gegen den Tausch der Schwiegersöhne nichts einzuwenden. Dass bei diesem Handel sein Eidam bereits etliche Jahre länger auf der Welt war als er selbst, störte ihn dabei keineswegs - und seine Tochter wurde nach geltender Sitte gar nicht erst gefragt, ob sie den fast dreißig Jahre älteren Mann überhaupt haben wollte.
Zum Glück für Maria Anna verzögerte sich ihre Abreise nach Spanien, so dass sie immerhin fast fünfzehn war, als sie
in Madrid eintraf. Die Spanier schlossen ihre neue Königin umgehend ins Herz und nannten die hübsche Kleine fortan »Doña Marianna«.
Marie de Chevreuse empfand heftiges Mitleid mit der kindlichen Ehefrau, als sie dem pausbäckigen, schwarzäugigen und ausgesprochen fröhlichen Geschöpf zum ersten Mal im Escorial begegnete.
Es war abzusehen, dass sie bald nichts mehr zu lachen hätte, inmitten der eiskalten und bedrückenden Atmosphäre, die die düstere Pracht des spanischen Hofes beherrschte.
An der Seite ihres zunehmend griesgrämiger und immer bigotter werdenden Gemahls und Oheims, der noch zahlreiche andere Verhältnisse pflegte und nichts als eine Zuchtstute in ihr sah, würde das muntere Kind schnell verkümmern, vermutete Marie und wurde plötzlich von einer tiefen Traurigkeit befallen. Wie wenig Rechte hatten doch die Frauen! Auch Anna und sie waren schließlich den Launen der Mächtigen hilflos ausgeliefert. Ihre Hoffnung, jemals in ihr Heimatland zurückkehren zu können, hatte
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