Im Dreieck des Drachen
Berichte aus dem Tauchboot des Bergungsschiffs.«
Ferdinand nickte und dachte voller Sorge, dass er vielleicht Spanglers Rückkehr hätte abwarten sollen. Wenn das Tauchboot der Navy beschädigt würde …
Quälend langsam streckte sich die Titanklaue nach der Säule aus und wollte die oberste Spitze des Kristalls abkneifen.
»Die erste Tiefsee-Beschneidung«, murmelte John.
Ferdinand ignorierte den Versuch seines Freundes, einen Scherz zu machen, und hielt den Atem an.
Die Zange schloss sich um die Spitze. Plötzlich drang Brentleys Stimme über die Lautsprecher, wiederum kristallklar. »Ich glaube, ich habe …«
Das Videobild erstarrte. Die beiden Männer sahen einander verwirrt an. Stirnrunzend tippte Ferdinand gegen den Bildschirm. Einen kurzen Augenblick lang verschwand das Tauchboot und kehrte dann wieder zurück.
Plötzlich lief das Videobild weiter. »… es!«, beendete Brentley. Auf dem Schirm wich das Tauchboot von der Säule zurück, und sein hochgehaltener Titanarm hielt einen Brocken des Kristalls im Griff.
»Er hat’s geschafft!«, sagte Ferdinand.
»Zum Teufel mit den Funkausfällen!«, platzte John glücklich heraus.
Die Mannschaft brach in Hochrufe aus – die jedoch abrupt endeten, als die Basis heftig durchgerüttelt wurde.
Ein wachsames Schweigen legte sich über die Station. Ferdinand hielt den Atem an.
Das Rütteln verwandelte sich in ein wildes Zittern. Türen klapperten, Container fielen aus Regalen.
»Ein Seebeben!«, schrie John.
Aus den verschiedenen wissenschaftlichen Stationen stiegen Schreie auf. Die Videoverbindung zur Perseus brach ab, als die Scheibe des Monitors spinnennetzartig zerbrach.
John stolperte zu einem der Bullaugen hinüber. »Wenn eine der Schweißnähte bricht …«
Ferdinand war die Gefahr bewusst. In einer Tiefe von sechshundert Metern läge der Druck draußen bei nahezu hundert Kilo pro Quadratzentimeter. Jeder Riss würde zu einer sofortigen Implosion führen.
Notfallsirenen heulten; rote Warnlichter flammten auf.
In einem festen Kommandoton rief Ferdinand: »Zurückziehen auf Ebene drei! Evakuierung vorbereiten!«
Einer der Meeresbiologen rannte auf sie zu und wäre fast mit John zusammengestoßen. »Die Luken haben sich geschlossen. Ich kann sie nicht manuell umgehen.«
Ferdinand fluchte. Im Falle einer Überflutung schlossen die Sicherheitssysteme automatisch jede Ebene und schotteten sie ab – aber das hätte sich manuell überbrücken lassen müssen. Er erhob sich auf dem bockenden Boden, und da erlosch das Licht. Nun schimmerte seine Umgebung rötlich im Schein der Notbeleuchtung.
»Oh, mein Gott!«, sagte John, der das Gesicht nach wie vor an das Bullauge gedrückt hatte.
Ferdinand stolperte zu einem benachbarten Bullauge hinüber. »Was ist los?« Er brauchte einen Moment, bis er verstand, was er da sah. Der Wald aus Lavasäulen in der Nähe zitterte und bebte, als würde ein mächtiger Wind hindurchfegen. In der Ferne zeigte ein heller feuriger Schein, dass sich Magmaspalten geöffnet hatten. Doch nicht das war Grund für Johns Ausbruch gewesen.
In Richtung auf die Säule teilte sich der Meeresboden, und es zeigte sich ein zackenförmiger Riss. Noch während Ferdinand hinsah, verbreiterte er sich und raste in wilden Zickzacksprüngen auf die Neptune zu.
»Nein …«
Für eine Evakuierung war es zu spät.
Andere Wissenschaftler stellten sich an andere Bullaugen. Ein lastendes Schweigen legte sich über sie. Von irgendwoher ertönte ein geflüstertes Gebet.
Ferdinand konnte nichts mehr dagegen unternehmen, dass sich der Traum seines Lebens seinem Ende zu nähern schien. Sein Schicksal lag in den Händen Gottes. Er schloss die Augen und drückte die Stirn an das kalte Glas. Wie viele hatte er hier unten getötet? Vor lauter Furcht und Schuldgefühlen bemerkte er zunächst gar nicht, dass das Poltern allmählich nachließ. Das Zittern des Bodens beruhigte sich.
Er hob den Kopf.
John erwiderte seinen Blick, und auf seinem Gesicht lag ein erschrockenes Lächeln. »Ist … ist es vorbei?«
Ferdinand sah zum Bullauge hinaus. Der zickzackförmige Spalt war bis auf einen Meter an Neptunes stählerne Beine herangekommen.
»Das war zu eng«, meinte John.
Ferdinand nickte.
Aus dem Sprechfunk ertönte lautes Rauschen. »Neptune, Perseus hier. Seid ihr da drin alle in Ordnung?«
Voller Erleichterung, dass Brentley das Seebeben unbeschadet überstanden hatte, stolperte Ferdinand zum Empfänger hinüber. »Alles klar, Perseus. Nur ein
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