Im Dreieck des Drachen
Frauenband Hole dröhnte aus den Lautsprechern. Unterstützt von einer durchdringenden Gitarre schallte Courtney Loves heisere Stimme durch das Ruderhaus. Sie sang von den Unzulänglichkeiten und Fehlern der Männer.
Lisa sank wieder auf ihren Sitz. »Schon besser.«
Noch immer im Bademantel, lag Jack in seiner Kabine auf dem Bett. Er schnarchte mit offenem Mund und war tief in einen vom Schlafmittel gefärbten Albtraum gesunken.
Umgeben von endloser Schwärze trieb er in seinem Raumanzug durch das All. Er war mit dem Shuttle Atlantis verbunden, dessen Frachtluken unter ihm offen standen. In der Werkstatt saßen weitere Mannschaftsmitglieder, die den großen Satelliten mithilfe der Greifarme auf Position bringen sollten.
Das Logo der Navy glänzte unnatürlich hell auf dem Satelliten, ebenso der Name der Waffe: Spartacus. Wie in Zeitlupe wurde der Satellit – ein Testmodell, das eine halbe Milliarde Dollar gekostet hatte und mit einer im Experi mentierstadium befindlichen Teilchenkanone ausgestattet war – auf einem System von Greifarmen aus der Ladeluke gehoben. Anschließend entfalteten sich die Sonnenkollektoren und Kommunikationssysteme.
Es war ein wunderbarer Anblick, wie sich das Sonnenlicht auf den Solarzellen spiegelte. Ein Schmetterling, der sich aus seinem Kokon befreite.
Hinter dem Shuttle strahlte hell die blaue Erdkugel.
Er dankte den Sternen für diese Gelegenheit. Etwas derart Schönes hatte er sich nie vorstellen können – insbesondere, weil er den Anblick mit der einen Frau teilte, deren Augen sogar noch heller glänzten als diese Sterne.
Jennifer Spangler war Mission Specialist bei diesem Ausflug, und seit der letzten Nacht war sie auch seine Verlobte. Zum ersten Mal war er ihr vor sechs Jahren begegnet, als einer seiner SEAL -Kameraden ihn seiner jüngeren Schwester vorgestellt hatte. Dann war er ihr bei der Astronautenausbildung wieder über den Weg gelaufen. Sie hatten sich rasch und leidenschaftlich ineinander verliebt: flüchtige Begegnungen in leeren Leseräumen und Offiziersmessen, heimliches Davonschleichen zum Tanz im Splashdown Pub, sogar mitternächtliche Picknicks auf den weiten Asphaltflächen rund um das Zentrum. Während dieser end losen Nächte und unter ebendiesen Sternen hatten sie ihr gemeinsames Leben geplant.
Dennoch: Als er sie vergangene Nacht allein auf dem Flugdeck abgepasst und einen kleinen Goldring zwischen sie und ihn gehalten hatte, da war er so nervös wie ein Schuljunge gewesen. Er hatte nicht gewusst, wie ihre Antwort lauten würde. Hatte er vorschnell gehandelt? Oder waren ihre Gefühle ebenso tief wie seine? Für einen endlos erscheinenden Augenblick hatte der Goldring zwischen ihnen geschwebt, gewichtslos, glänzend im Licht des Mondes – dann hatte sie die Hand ausgestreckt und sein Geschenk angenommen, und ihr Lächeln und ihre Tränen waren Antwort genug gewesen.
Er grinste bei dieser Erinnerung und wurde von Jennifers ganz geschäftsmäßiger Stimme über Funk unterbrochen, die seine Aufmerksamkeit wieder zurück auf den Satelliten lenkte. »Löse Arme. Eins, zwei, drei. Alles klar. Ich wiederhole, bereite Abtrennung vor. Jack?«
»Sichtüberprüfung o. k.«, gab er Antwort.
Colonel Durham, Kommandant auf diesem Flug, warf vom Flugdeck her ein: »Hier alles klar. Überall grünes Licht. Löse Nutzlast in zehn Sekunden … neun … acht … sieben …«
Die Zeit schien langsamer zu verstreichen, als sich die Arbeitsmannschaft unter dem Satelliten zurückzog. Mit dem Schraubenschlüssel in der Hand manövrierte er sich an seiner Leine entlang zur Backbordseite und machte seinerseits Platz. Sie hatten das Abwerfen Hunderte Male geprobt.
Während er dahintrieb, stellte er sich im Geiste Jennifers Körper vor und überlegte, wie es wohl wäre, hier draußen das Bett miteinander zu teilen, während die blaue Erde zuschaute. Könnte es bessere Flitterwochen geben?
»… sechs … fünf … vier …«
Da er so seinen Tagträumen nachhing, erkannte er den Fehler zu spät. Einer der drei Feststellarme, die General Dynamics konstruiert hatte, hatte sich nicht vollständig gelöst. Von seiner Position aus sah er, wie der Satellit einige wenige Grad zur Steuerbordseite hinübertrieb. O nein! Er nahm sich eine Sekunde Zeit, um sich des Fehlers zu vergewissern, und das war genau eine Sekunde zu viel.
»… drei … zwei …«
»Abbrechen!«, schrie Jack in seinen Funk.
»… eins …«
Die Federn lösten sich und stießen den Satelliten aus dem
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