Im Dreieck des Drachen
Mitteldeck und griff nach dem Kasten mit den T-Griffen. Er zog den entsprechenden Handgriff zu sich herunter und drehte ihn. Das Ventil würde den Kabinendruck langsam dem Außendruck anpassen.
»Haltet euch bereit!«, befahl Colonel Durham. »Schalte auf Autopilot um!«
Das Schiff bockte noch heftiger. Jack flog in die Luft und stieß sich heftig den Kopf. Einer der anderen Astronauten, der sich von seinem Sitz losgeschnallt hatte, knallte gegen eine Stützstrebe an der Decke. Sein Helm zerbrach, und der Mann sackte schlaff in sich zusammen.
Jack wollte zu ihm hinüber, aber der zweite Astronaut winkte ihn zurück. »Stellung halten!«
»Autopilot ausgefallen!«, schrie der Kommandant. »Muss manuell weitersteuern!«
Jack warf einen Blick über die Schulter auf Jennifer. Sie kämpfte sich aus ihrem Sitz, wollte dem verletzten Mannschaftsmitglied beistehen. Aber sie hatte offensichtlich ziemliche Probleme damit loszukommen. Sie zerrte an etwas an ihrem linken Arm.
»Fünfunddreißigtausend!«, verkündete der Pilot. Der Shuttle schüttelte sich weiterhin heftig. »Ich krieg’s hin! Ich krieg’s hin!« Er hörte sich an, als würde er sich selbst Mut zusprechen. Dann … »Mein Gott!«
Colonel Durham stieß eine Litanei von Flüchen aus. »Aussteigen!«, schrie er über Funk. »Bringt eure Ärsche hier raus!«
Jack wusste, dass sie nach wie vor viel zu hoch waren, aber er gehorchte dem direkten Befehl. Er drehte den zweiten Handgriff. Die seitliche Luke flog davon. Stürmischer Wind schoss aus der Kabine. Die Depression war nicht vollständig gewesen. Er merkte, dass er fast aus der Luke gesaugt wurde, und konnte sich nur dadurch retten, dass er sich eisern am Handgriff festhielt.
Schreie erfüllten den Funk. Der Shuttle wälzte sich auf den Rücken. Der Fußboden wölbte sich.
Aus dem Augenwinkel erhaschte er eine Bewegung, drehte sich um und sah Jennifer mit dem Bauch voran an sich vorüberrutschen. Ihre Finger suchten verzweifelt nach einem Halt. Ihre Fallschirme fehlten!
Oh, mein Gott …
Er sprang hin und umklammerte ihre Hand. »Festhalten!«, schrie er.
Hinter ihm gab es eine heftige Explosion. Mit einem metallischen Kreischen flog die Luke des Mitteldecks davon. Ein Wirbelsturm aus Flammen schoss in die Kabine und verbrannte alles bis hinauf zum Flugdeck. Er verlor die anderen Astronauten aus den Augen. Die Feuerwand wälzte sich auf ihn und Jennifer zu.
»Hilfe!«, schrie er in sein Funkgerät. Aber es kam keine Antwort. Der Shuttle war zu einem herabstürzenden Felsbrocken geworden. Jack geriet ins Rutschen.
»Lass mich los!«, keuchte ihm Jennifer zu, verzweifelt bemüht, ihre Hand loszubekommen. »Sonst ziehe ich dich mit runter …«
»Verdammt noch mal! Festhalten!«
»Das tu ich nicht!« Mit der anderen Hand löste Jennifer die Metallschließe, die den Handschuh ihres Anzugs am Ärmel festhielt.
»Nein!« Er packte fest zu, war jedoch zu langsam. Er umklammerte lediglich einen leeren Handschuh. Jennifer entglitt ihm und war rasch außer Reichweite.
Wie in allen Albträumen entdeckte er, dass er sich nicht rühren konnte. Er sah Jennifer zeitlupenhaft langsam von sich weggleiten … so unendlich langsam. Verzweifelt bemühte er sich, sie zu erreichen, aber seine Gliedmaßen wollten ihm nicht gehorchen. Er konnte lediglich zuschauen.
Als Letztes sah er nicht Jennifers panikerfülltes Ge sicht … sondern den kleinen goldenen Ring, der hell in ihrer Hand blitzte und im Versprechen einer Liebe erstrahlte, die niemals sterben würde, während Jennifer ins Nichts fiel.
Taub den eigenen Schreien gegenüber, gejagt von einer Flammenwand, stürzte er hinterher. Er taumelte genau in dem Augenblick durch die Luke, als der Shuttle einen Salto schlug. Der riesige Flügel des Raumgleiters durchschnitt die Luft über ihm. Dunkelheit schwoll am Rand seines Sichtfelds an, während er unkontrolliert umherwirbelte. Er konnte nicht atmen.
Dennoch suchte er, so gut es ging, nach einem Anzeichen von Jennifer, doch der blaue Himmel war leer. Lediglich eine Flammenspur kennzeichnete den Weg des brennenden Shuttles.
Mit Tränen in den Augen tastete er nach dem Öffner für seinen Fallschirm. Der kleinere Lenkschirm entfaltete sich und zog augenblicklich den größeren Bremsfallschirm heraus, der seinen wirbelnden Flug stabilisierte. Aber die kleinen Fallschirme trugen nur wenig dazu bei, seine rasende Fallgeschwindigkeit zu mindern. Dazu waren sie auch nicht gedacht. Nicht in dieser dünnen Luft.
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