Im Dreieck des Drachen
den eigenen Absturz von vor zwölf Jahren wieder vor Augen. Der Absturz des Shuttles Atlantis. Der Anblick da draußen ging ihm allzu nahe.
»Jack, bist du in Ordnung?« Lisa berührte ihn an der Schulter.
Bleich und zitternd senkte er das Fernglas. »Wir hätten nie herkommen sollen. Da kann nichts Gutes bei rauskommen.«
4
SCHULDZUWEISUNGEN
25. Juli, 21.34 Uhr
Oval Office, Weißes Haus, Washington, D. C.
DAVID SPANGLER WARTETE vor dem Oval Office. Selbst zu dieser späten Stunde wimmelte es im Westflügel des Weißen Hauses von Praktikanten, Hilfskräften und Büroboten. Die gegenwärtige Hektik beschränkte sich nicht bloß auf die Pennsylvania Avenue. Der gesamte Beltway war voll auf Trab: Zahllose Pressekonferenzen wurden abgehalten, auf dem Capitol Hill fanden wiederholt Krisentreffen statt, und das Gegeifere und Gezänk in den Gängen war schier endlos.
Und alles nur, weil ein einziger Mann verschollen war – Präsident Bishop.
David selbst war an diesem Morgen aus der Türkei eingeflogen worden. Zuvor hatte man ihn und seinen Kommandotrupp von einer Mission an der Grenze zum Irak abberufen, aber man musste ihm noch den Grund dafür mitteilen.
»Kaffee, Sir?« Eine flachbrüstige Praktikantin trat mit einem Tablett voller Becher an David heran.
Er lehnte mit einem knappen Kopfschütteln ab.
Er saß reglos und steif in einem Polstersessel, musterte weiterhin den Raum und nahm einfach nur alles in sich auf: das Geplänkel, die halben Scherze, den schwachen Duft nach Parfüm. Er atmete tief ein. Es lag etwas in der Luft.
Sein eigener Chef, CIA -Direktor Nicolas Ruzickov, war in einer Konferenz mit dem neuen Oberhaupt der Vereinigten Staaten, Vizepräsident Lawrence Nafe.
Alle Mitglieder aus Bishops ehemaligem Kabinett trafen sich privat mit Nafe. Wer würde gefeuert? Wer würde seinen Job behalten? Gerüchte breiteten sich in den Regierungsfluren wie ein Lauffeuer aus. Allen war wohl bekannt, dass den ehemaligen Präsidenten und seinen Vizepräsidenten eine tiefe politische Kluft getrennt hatte. Nafe war lediglich nominiert worden, um den Süden zu gewinnen; seither hatte es häufig Auseinandersetzungen zwischen den beiden Büros gegeben. David hatte den Verdacht, dass Nafe heute so viele Leute wie nie zuvor in den Arsch gekrochen waren – nicht jedoch der Direktor der CIA . Nafe und Ruzickov waren schon immer enge Freunde gewesen, Kommilitonen in Yale und ideologisch auf einer Wellenlänge, wenn es um den Umgang mit ausländischer Aggression ging.
David hatte Nafe anlässlich einer Feier im Weißen Haus einmal die Hand geschüttelt und dabei entdeckt, dass der Mann ebenso schwach und verlogen war wie alle Politiker, die nichts zu bieten hatten als falsches Lächeln, gepaart mit Gönnerhaftigkeit. Dennoch hielt er Nafe für einen besseren Amtsinhaber als den ehemaligen Bewohner des Weißen Hauses. Präsident Bishop war allzu sehr eine Taube gewesen und hatte die Chinesen verhätschelt, während Nafe mit Freuden eine härtere Gangart einlegen würde.
Nafes Sekretärin tippte etwas in ihren Computer, die Hörer eines Diktiergeräts im Ohr. Während David auf das Ende der Konferenz wartete, schielte sie in seine Richtung und lächelte scheu, als sie sich ertappt sah. An eine solche Reaktion von Frauen war er gewöhnt. Er war groß, hatte breite Schultern und war muskulös. Das blonde Haar über seinen harten Zügen war kurz geschnitten, die Haut gebräunt von Jahren unter der Sonne vieler fremder Länder. Vor der Mission in der Türkei, die er jetzt im Stich gelassen hatte, hatte ihn sein letzter Auftrag in den Libanon geführt, wo er und sein Kommandotrupp einen libanesischen Terroristen auf die übliche ökonomische Weise aus dem Weg geräumt hatten: Sie hatten die Familie des Mannes umgebracht, das Hotel mit Brandbomben angesteckt und dadurch sämtliche Hinweise auf ein Attentat ausradiert. Es war eine saubere Operation gewesen.
Er verspürte Stolz auf sein Team, und das wärmte ihn innerlich. Es waren Männer, die er von Anfang an ausgebildet hatte. Handverlesen. Jeder würde für ihn sein Leben hingeben. Sie kamen aus den erfolgreichsten verdeckten Kommandotrupps und hatten bereits über tausend Leichen auf dem Konto.
Das Telefon auf dem Schreibtisch der Sekretärin summte, und Davids Blick zuckte in ihre Richtung. Sie hob ab. »Ja, Sir. Sofort, Sir.« Sie legte auf und wandte sich an David. »Der Präsident …« Sie errötete wegen ihres Versprechers. Solange es noch keinen konkreten
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