Im Dreieck des Drachen
.«
»Dateiname?«
Miyuki warf Karen einen Blick zu. »Drachen.«
»Öffne jetzt Ordner Drachen. Erwarte Ihre nächste Übertragung.«
»Vielen Dank, Gabriel«, sagte Miyuki.
»Ihnen einen guten Tag, Professor Nakano. Guten Tag, Dr. Grace.«
Karen räusperte sich verlegen. »Auf Wiedersehen, Gabriel.«
Miyuki clippte die Einheit wieder an ihren Gürtel.
Inzwischen hatten sie sich dem Rand der halb versunkenen Ruinen genähert. Karen verlangsamte das Schiff. »Miyuki, kannst du für mich eine Panoramaansicht aufnehmen?«
Ihre Gefährtin wühlte in ihrer Tasche, holte eine Kompakt-Videokamera heraus und hakte sie an ihrer Computereinheit am Gürtel fest. Sie stand auf, ließ das Objektiv über die Ruinen gleiten und schickte die Digitalaufnahme über ihre tragbare Einheit an ihre Computer im Büro. »Fertig.«
Karen ließ das Motorboot langsam und mit hustender Maschine herantreiben. Sie musste vorsichtig sein. In der Nähe der aufgestiegenen Ruinen war das Wasser seicht, weniger als anderthalb Meter tief. Ringsumher erhoben sich von grünen Algen bedeckte Säulen. Bleiche Krabben huschten davon, als sie näher kamen. Hineingezogen in diese uralte Welt, vergaß sie rasch Gabriel und die fortschrittlichen Computer-Algorithmen. »Erstaunlich.«
In der Ferne bewegten sich ein paar weitere Schiffe zwischen den Ruinen. Aufgeregte Stimmen schallten über das Wasser, zu weit entfernt, als dass man von dem, was da gesprochen wurde, etwas verstanden hätte. Aus einem vorbeifahrenden Punt starrten drei dunkelhäutige Männer von mikronesischer Herkunft mit großen Augen auf die uralten Säulen und untergegangenen Häuser.
Konnten Vorfahren dieser Männer diese Stadt errichtet haben?, überlegte Karen. Und wenn ja, was ist dann geschehen?
Der Punt verschwand, und Karen ließ das Schiff langsam an ein paar dachlosen Gebäuden mit klaffenden Fensterhöhlen entlanggleiten. Alle Bauten waren anscheinend auf die gleiche Weise errichtet worden und bestanden aus aufeinandergestapelten und ineinandergreifenden Blöcken und Platten. Immer der gleiche dunkle Stein. Vulkanischer Basalt. Einige der dicken Blöcke mussten mehrere Tonnen wiegen. Eine solche architektonische Meisterschaft war im Südpazifik selten zu finden und dem Geschick der Inka und Maya durchaus ebenbürtig.
Die beiden Frauen umrundeten eines der Gebäude und sahen dann einen offenen Weg zum ersten der Drachen vor sich.
»Mach eine Aufnahme!«, sagte Karen leise und ehrfurchtsvoll.
»Tu’ ich bereits.« Miyuki hielt die Kamera vor sich.
Die Pyramide ragte zwanzig Meter über die Wogen empor. Achtzehn terrassenförmige, je einen Meter hohe Stufen führten vom Meer zu dem flachen Plateau hinauf. Das morgendliche Sonnenlicht blitzte auf der teilweise eingestürzten Tempelspitze, einem kleinen Gebilde aus Steinplatten.
Ein Schwarm weißer Kraniche ergriff bei ihrer lärmenden Annäherung die Flucht. Schildkröten, die sich auf den Stufen aalten, plumpsten in die Brandung. Karen umkreiste die Pyramide. Auf der anderen Seite tauchte der zweite Drache auf, ein Zwilling des ersten, nur dass auf seiner flachen Spitze keine Spur von einem Tempel zu erkennen war.
»Sehen wir uns die Sache näher an!« Karen richtete ihr Schiff auf die erste Pyramide aus und fuhr an die unterste Stufe heran. An einer kurzen Basaltsäule an der nordöstlichen Kante würde sich gut eine Bootsleine befestigen lassen.
»Halt das Ruder!«, sagte Karen, als sie das Gas wegnahm. Das Schiff schaukelte auf den Wellen. Sie ergriff die Befestigungsleine am Heck, ging zur Reling, stieß sich ab und übersprang das offene Wasser. Sie landete auf den Stufen der Pyramide und kam auf den Algen und dem feuchten Gras ins Rutschen.
»Vorsicht!«, schrie Miyuki, während Karen mit den Armen ruderte.
Sie fand ihr Gleichgewicht wieder, wischte sich ein paar verirrte Haarsträhnen aus den Augen und lächelte Miyuki verlegen zu. »Nichts passiert.«
Etwas vorsichtiger schritt Karen, das Tau in den Händen, zu der metergroßen Säule hinüber. Beim Hinknien erkannte sie, dass es sich eigentlich um eine Skulptur handelte: ein Mann in einer Robe. Die Details waren von Sand und Meerwasser erodiert, die Nase war verschwunden, die Augen waren lediglich noch schattige Vertiefungen.
Karen holte die Leine ein, bis das Boot gegen die unterste Stufe stieß, und sicherte sie dann an der Basis der Statue, indem sie den Knoten fest zuzog.
»Könntest du mir bitte mit der Tasche helfen?«, fragte Miyuki und hielt
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